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Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Titel: Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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man sie zu Bluttrinkern machte, prächtige Geschöpfe, körperlich reif, aber noch mit den sanften Wangen und Lippen eines Knaben.
    »Warum bist du uneingeladen hergekommen?«, fragte ich Eudoxia. »Du sitzt auf meinem Stuhl, als wärst du mein Gast.«
    »Vergib mir«, sprach sie sanft, »es war wie ein Zwang. Ich habe dein Haus von oben bis unten durchsucht.«
    »Dessen rühmst du dich auch noch?«, fragte ich. Ihre Lippen öffneten sich wie zu einer Antwort, doch dann stiegen ihr Tränen in die Augen.
    »Wo sind die Bücher, Marius?«, fragte sie leise. Sie sah mich an. »Wo sind die alten Bücher aus Ägypten? Die Bücher aus dem Tempel, die du gestohlen hast?« Ich antwortete nicht. Ich setzte mich auch nicht.
    »Ich kam in der Hoffnung, sie hier zu finden«, sagte sie, den Blick starr geradeaus gerichtet, während ihr die Tränen über die Wangen rannen. »Ich kam, weil ich vergangene Nacht von den Priestern des Tempels träumte, davon, dass sie mir stets empfohlen hatten, die alten Mythen zu lesen.« Ich sagte immer noch nichts.
    Sie sah zu mir auf und wischte sich mit dem Handrücken die Tränen ab.
    »Ich konnte die Düfte des Tempels riechen, den Geruch von Papyrus«, sagte sie. »Der Älteste saß an seinem Pult.«
    »Eudoxia«, sagte ich, »er war es, er setzte Die Eltern der Sonne aus. Verharre nicht in einem Traum, der ihn dir schuldlos zeigt. Der Älteste war schlecht, er trug die Schuld. Er war selbstsüchtig und verbittert. Willst du sein Ende erfahren?«
    »In meinem Traum erzählten mir die Priester, dass du die Bücher mitnahmst Marius. Sie sagten, dass du, ohne auf Widerstand zu treffen, in die Tempelbibliothek eindrangst und alle Schriftrollen mit dir fortnahmst.«
    Ich sagte nichts. Aber ihr Kummer war herzzerreißend. »Sag mir, Marius, wo sind die Schriften? Wenn du mir erlaubst, sie zu lesen, wenn ich die alten ägyptischen Mythen lesen darf, kann mein Herz vielleicht Frieden mit dir schließen. Willst du mir das nicht zugestehen?« Bitter sog ich die Luft in meine Lungen.
    »Eudoxia«, sagte ich sanft, »es gibt sie nicht mehr, diese Schriften, alles, was davon übrig ist, ist hier, in meinem Kopf.« Dabei tippte ich an meine Schläfe. »Als die Wilden aus dem Norden in Rom einfielen, brannte mein Haus nieder, und meine Bibliothek wurde vernichtet.«
    Sie schüttelte den Kopf und legte die Hände an die Wangen, als könne sie das nicht ertragen. Ich kniete mich neben sie und versuchte, sie zu mir herumzudrehen, aber sie ließ es nicht zu. Sie vergoss stumme Tränen.
    »Ich werde es für dich niederschreiben, alles, woran ich mich erinnern kann, und ich kann mich an viel erinnern«, erklärte ich ihr. »Oder soll ich es deinen Schreibern diktieren? Entscheide selbst, was dir lieber ist, dann soll es gerne so geschehen. Ich verstehe, wonach es dich verlangt.«
    Jetzt war nicht der Moment, ihr zu sagen, dass vieles von dem, was sie suchte, auf nichts hinauslief, dass die alten Mythen voller Aberglauben und Unsinn und selbst die Beschwörungen bedeutungslos waren. Das hatte sogar der niederträchtige Älteste zugegeben. Aber während meiner Jahre in Antiochia hatte ich die Schriftrollen wieder und wieder gelesen. Ich erinnerte mich gut daran. Ihr Inhalt war fest in meiner Seele verankert. Eudoxia drehte sich langsam zu mir um. Sie hob die Hand und strich mir über das Haar.
    »Warum hast du diese Bücher gestohlen?«, flüsterte sie verzweifelt, während ihre Tränen immer noch flossen. »Warum hast du sie aus dem Allerheiligsten entwendet, wo sie so lange sicher verwahrt gewesen waren?«
    »Ich wollte wissen, was darin steht«, sagte ich offen.
    »Warum hast du sie nicht gelesen?«, fragte ich sanft. »Du hattest Zeit genug, ein ganzes Menschenleben. Warum hast du sie nicht abgeschrieben, wo du doch den Griechen und Römern solche Dienste anbotest? Wie kannst du mir das verübeln?«
    »Verübeln?«, sagte sie düster. »Ich hasse dich dafür!«
    »Der Älteste war tot, Eudoxia«, sagte ich ruhig. »Die Mutter hatte ihn erschlagen.«
    Plötzlich riss sie die vom Weinen verquollenen Augen auf.
    »Das soll ich dir glauben? Dass nicht du ihn getötet hast?«
    »Ich? Einen tausend Jahre alten Bluttrinker töten, wo ich gerade erst selbst zu einem gemacht worden war?« Ich lachte auf. »Nein, Die Mutter, sie hatte es getan. Und sie war es auch, die mich bat, sie aus Ägypten fortzuschaffen. Ich tat nur, wie mir geheißen.« Ich schaute ihr fest in die Augen, sie musste mir einfach glauben, sie musste

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