Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold
aufstieg. Ich betrachtete die leise vibrierenden Blumen in ihren Vasen. Ich betrachtete die glänzenden Augen meiner Königin.
»Was kann ich dir schenken?«, fragte Eudoxia und machte einen weiteren Schritt auf die Eltern zu. »Welche Gabe nähmst du gern von mir entgegen?« Die Arme ausgebreitet, trat sie immer näher an die Stufen heran. »Ich bin deine Sklavin. Ich war deine Sklavin, als du mir in Alexandria zum ersten Mal dein Blut gabst, und bin es immer noch.«
»Tritt zurück«, sagte ich plötzlich, obwohl ich nicht wusste, warum. »Tritt zurück, und sei ruhig«, wiederholte ich hastig.
Aber Eudoxia ging weiter, erklomm die erste Stufe des Podestes.
»Verstehst du nicht? Ich meine, was ich sage!«, entgegnete sie, und ohne den Blick von dem Königlichen Paar zu wenden, sprach sie weiter: »Lass mich deine Opfergabe sein, heiligste Akasha, ich will dein Blutopfer sein, heiligste Königin.« Wie der Blitz fuhr Akashas rechter Arm in die Höhe, packte Eudoxia mit eisenhartem Griff und zog sie zu sich. Eudoxia entfuhr ein grauenvolles Stöhnen.
Mit einer kaum merklichen Kopfbewegung senkte sich Akashas geröteter Mund über ihr Opfer, sodass ich die scharfen Zähne aufblitzen sah, ehe sie sich in Eudoxias Kehle senkten. Eudoxia war hilflos; mit zur Seite geneigtem Kopf und schlaff baumelnden Armen und Beinen hing sie in dem sich immer enger schließenden Griff Akashas, die ununterbrochen trank und trank. Dabei blieb ihre Miene ausdruckslos wie stets.
Ich war vor Entsetzen erstarrt und wagte nicht, gegen das, was ich sah, anzugehen. Nur wenige Sekunden, vielleicht eine halbe Minute dauerte es, dann stieß Eudoxia einen röchelnden Schrei aus und versuchte verzweifelt, die Arme zu heben.
»Hör auf, Mutter, ich bitte dich!«, rief ich und umfasste mit aller Kraft Eudoxias Leib.
»Ich bitte dich, hör auf, lass ihr das Leben! Verschone sie!«, rief ich und versuchte, die Unglückliche wegzuziehen. »Verschone sie!« Ich spürte, wie der Körper sich in meinen Händen bewegte. Schnell riss ich ihn aus Akashas gekrümmtem Arm, der in dieser Haltung in der Luft verharrte. Eudoxia atmete noch, obwohl sie grau wie der Tod war und elend stöhnte. Wir stürzten gemeinsam von dem Podest, während Akashas Arm in die seit Ewigkeiten gleiche Stellung zurücksank, ihre Finger wieder auf den Schenkeln ruhten, als wäre nichts geschehen.
Ich lag mit der nach Luft schnappenden Eudoxia lang auf dem Boden hingestreckt und fragte sie wütend: »Wolltest du sterben?«
»Nein«, antwortete sie verzweifelt. Sie lag da mit wogender Brust und bebenden Händen, offensichtlich nicht in der Lage, sich auf die Füße zu stellen. Forschend hob ich den Blick zu Akashas Gesicht. Das Blutopfer hatte ihr nicht einmal ein wenig Röte in die Wangen getrieben, und auf ihren Lippen war keine Spur von Blut zu sehen. Ich war bestürzt. Ich hob Eudoxia hoch und machte, dass ich mit ihr aus dem Schrein kam, die Stufen hinauf, durch die langen Gänge und endlich nach oben ins Haus.
Ich scheuchte alle Anwesenden aus der Bibliothek und benutzte die Gabe des Geistes, um die Doppeltüren hinter ihnen zu schließen. Dann legte ich Eudoxia auf einem Diwan nieder, damit sie endlich zu Atem kam.
»Aber wieso«, fragte sie mich, »hattest du den Mut, mich ihr zu entreißen?« Sie klammerte sich an meinen Hals. »Halt mich fest, Marius, schick mich noch nicht fort. Ich kann nicht… ich… nein… Halt mich fest! Woher nahmst du den Mut, dich unserer Königin zu widersetzen?«
»Sie hätte dich vernichtet«, erklärte ich. »Sie wollte mein Gebet erhören.«
»Welches Gebet?«
Sie ließ mich los. Ich holte einen Stuhl und setzte mich neben sie. Ihr Gesicht war gezeichnet, voller Tragik, die Augen glänzten. Sie griff nach meinem Ärmel und klammerte sich daran fest. »Ich bat sie um ein Zeichen, mit dem sie mir kundtun sollte, was ihr genehm wäre«, erklärte ich, »ob ich sie dir übergeben sollte oder ob sie bei mir bleiben wollte. Sie hat gesprochen. Und jetzt siehst du, wie es steht.«
Sie schüttelte den Kopf, doch nicht verneinend, sondern um ihre Gedanken zu ordnen. Dann versuchte sie sich von dem Diwan hochzustemmen, sank jedoch wieder zurück. Eine ganze Zeit lang lag sie nur da, den Blick zur Decke gerichtet. Ich konnte ihre Gedanken nicht lesen. Ich griff nach ihrer Hand, aber sie entzog sie mir.
Dann sagte sie leise: »Du hast ihr Blut getrunken. Du besitzt die Gabe des Feuers, und du hast ihr Blut getrunken. Und jetzt hat sie das
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