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Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Titel: Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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dieses letzte, gewichtigste Beweisstück abwägen, ehe sie ihren Hass auf mich weiter nährte.
    »Lies es in meinen Gedanken, Eudoxia«, sagte ich. »Sieh selbst die Bilder.«
    Abermals erlebte ich diesen grausigen Augenblick, als Akasha den üblen Ältesten unter ihren Füßen zermalmte. Ich sah die Lampe, die sich wie durch Zauberei von ihrem Platz erhob und ihr brennendes Öl über den Leichnam ergoss. Wie heftig das magische Blut aufgeflammt war!
    »Ja«, hauchte Eudoxia, »Feuer ist unser Feind, immerdar. Du sprichst die Wahrheit.«
    »Aus tiefstem Herzen«, sagte ich. »Es ist wahr. Und da Die Mutter mir diese Pflicht aufgeladen hatte, da ich den Ältesten hatte sterben sehen, wie hätte ich da die Bücher zurücklassen können? Ich wollte sie haben, genau wie du. Später in Antiochia las ich sie dann. Ich werde dir erzählen, was darin stand.« Sie dachte eine ganze Weile nach, dann nickte sie. Ich erhob mich und blickte auf sie nieder. Sie saß still, mit gesenktem Kopf; schließlich zog sie ein zartes Tuch aus ihrem Gewand hervor und tupfte sich die blutigen Tränen ab. Noch einmal versprach ich ihr: »Ich werde dir alles aufschreiben, was der Älteste mir bei meinem ersten Besuch im Tempel erzählte. Ich werde jede Nacht daran arbeiten.« Sie antwortete nicht, und ich konnte ihr Gesicht nicht sehen, wenn ich mich nicht wieder hinkniete.
    »Eudoxia«, sagte ich, »wir könnten einander so viel Wissen geben. In Rom erfasste mich eine Müdigkeit, die mich ein ganzes Jahrhundert lang dem Pfad des Lebens fern hielt. Auch ich brenne darauf, von deinen Erfahrungen zu hören.« Fiel das für sie in die Waagschale? Ich wusste es nicht. Schließlich sprach sie, ohne mir ihr Gesicht zuzuwenden. »Mein gestriger Schlaf war fiebrig erregt. Ich träumte, dass Raschid verzweifelt nach mir rief.« Was konnte ich dazu sagen? Ich spürte Verzweiflung.
    »Nein, ich bitte nicht um versöhnliche Worte«, erklärte sie, »ich wollte nur sagen, dass ich schlecht geschlafen habe. Und dann war ich im Tempel, und die Priester umringten mich. Und ich war mir auf eine schreckliche, eindeutige Weise des Todes und der Zeit bewusst.«
    Ich ließ mich neben ihr auf ein Knie nieder und sagte: »Wir können dieses Gefühl besiegen!«
    Sie sah mir in die Augen, als argwöhnte sie, dass ich sie überlisten wollte.
    »Nein«, sagte sie dann leise, »auch wir sterben. Wir sterben, wenn die Zeit für uns gekommen ist.«
    »Ich will nicht sterben«, sagte ich. »Schlafen, ja, und manchmal vielleicht ewig schlafen, aber nicht sterben.« Sie lächelte. »Wenn du schreiben könntest, was du wolltest, was würdest du mir dann aufschreiben wollen? Was würdest du für mich dem Pergament anvertrauen?«
    »Nichts, was in diesen alten ägyptischen Texten stand«, sagte ich mit Nachdruck, »sondern etwas Edleres, etwas von universeller Gültigkeit, hoffnungsvoll und lebenssprühend, das von Größe und Triumphen handelt, von – wie soll ich es anders sagen? – von Leben.«
    Sie nickte ernst und lächelte wieder. Eine ganze Weile betrachtete sie mich mit sichtlicher Zuneigung.
    »Bring mich hinunter in den Schrein«, sagte sie, dabei griff sie nach meiner Hand.
    »Gut denn«, stimmte ich zu.
    Als ich aufstand, erhob sie sich ebenfalls, dann ging sie an mir vorbei und schritt voran. Vielleicht wollte sie mir damit zeigen, dass sie den Weg kannte, doch, den Göttern sei Dank, ihr Gefolge blieb zurück.
    Die vielen Türen auf dem Weg nach unten öffnete ich mit der Gabe des Geistes, ohne sie auch nur anzurühren. Wenn Eudoxia davon beeindruckt war, so zeigte sie es nicht. Ich wusste jedoch nicht, ob wir immer noch miteinander auf Kriegsfuß standen. Ich konnte ihren Geisteszustand nicht einschätzen. Als sie Die Mutter und Den Vater in ihren feinen Leinengewändern und dem ausgefallenen Juwelenschmuck sah, keuchte sie auf und flüsterte: »Ah, gesegnete Eltern! Lange musste ich hierauf warten.«
    Ihre Stimme rührte mich. Wieder flossen ihre Tränen.
    »Ich wünschte, ich hätte etwas, das ich dir darbieten könnte«, sagte sie, während sie zu der Königin aufschaute. Sie bebte. »Hätte ich doch eine Opfergabe, ein Geschenk.« Ich wusste nicht, warum, doch bei diesen Worten spürte ich eine leise Bewegung. Ich schaute erst Die Mutter, dann Den Vater an, konnte aber nichts feststellen, und doch war etwas in dieser Kapelle plötzlich anders, etwas, das auch Eudoxia möglicherweise spürte.
    Ich sog den schweren Duft ein, der von den Weihrauchgefäßen

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