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Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition)

Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition)

Titel: Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. P. Lovecraft
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jedenfalls sei er so lautlos aus dem Haus geschlüpft, dass niemand ihn dabei bemerkt hatte. Die Männer merkten es erst, als er gegen ein Uhr mittags zurückkehrte und ohne ein Wort zu sagen ins Haus ging. Er zog sich nach oben zurück, wo ihn wieder die Furcht gepackt zu haben schien, da man ihn, als er seine Bibliothek betrat, hoch und entsetzt aufschreien hörte, gefolgt von einem erstickten Laut. Als der Butler nach dem Rechten sehen wollte, sei Charles durchaus entschlossen an der Tür erschienen und habe den Mann auf eine Art und Weise stumm hinauskomplimentiert, die den Butler unerklärlich erschreckt habe. Dann habe Ward sich anscheinend der Neuordnung seiner Bücherregale gewidmet, da man ein lautes Klappern, Rucken und Knarren hörte. Später sei er wieder aufgetaucht und habe sogleich das Haus verlassen. Willett fragte, ob er für ihn eine Botschaft hinterlassen habe, doch dem war nicht so. Der Butler schien durch Charles’ Erscheinung und Verhalten merkwürdig verstört zu sein und fragte bekümmert, ob es denn noch Hoffnung auf eine Heilung seiner Nerven gäbe.
    Beinahe zwei Stunden lang wartete Dr. Willett umsonst in Charles Wards Bibliothek, betrachtete die staubigen Regale mit den großen Lücken, wo Bücher entnommen worden waren, und lächelte bitter beim Anblick des Kaminmantels an der Nordwand, wo im Vorjahr das ehrbare Gesicht des alten Joseph Curwen milde herabgeschaut hatte. Nach einer Weile ballten sich die Schatten, und die Schönheit des Sonnenuntergangs wurde von einem unbestimmten, wachsenden Grauen abgelöst, das schattengleich vor der Nacht floh.
    Endlich kam Mr. Ward nach Hause. Er war äußerst überrascht und verärgert über das Verhalten seines Sohnes, nach all den Bemühungen, die man zu seinem Schutz unternommen hatte. Er hatte von Charles’ Verabredung nichts gewusst und versprach, Dr. Willett in Kenntnis zu setzen, sobald der junge Mann zurückkehrte. Als er den Arzt zur Tür geleitete, erzählte er von seiner tiefen Sorge über den Zustand seines Sohnes und bat Willett, alles ihm Mögliche zu tun, um dem Jungen zu helfen. Willett war froh, die Bibliothek verlassen zu können, da darin etwas Fürchterliches, Unheiliges zu lauern schien, so, als habe das verschwundene Bild ein böses Erbe darin hinterlassen. Ihm hatte dieses Bild nie gefallen – so stark seine Nerven auch waren, nahm er selbst jetzt noch um die leeren Paneele etwas wahr, das ihn dringend dazu trieb, so schnell wie möglich an die frische Luft zu gelangen.
    3
    Am nächsten Morgen erhielt Willett eine Nachricht von Ward Senior, der ihm mitteilte, dass Charles noch immer nicht zurückgekehrt sei. Mr. Ward erwähnte, Dr. Allen hätte ihn angerufen und gesagt, Charles würde für eine Weile in Pawtuxet bleiben und dürfe nicht gestört werden. Dies sei notwendig, weil Allen selbst auf unbestimmte Zeit andernorts gebraucht würde und deshalb Charles die Forschungen ständig überwachen müsse. Charles sende seine besten Grüße und bedaure alle Unannehmlichkeiten, die sein abrupter Sinneswandel verursacht haben mochte. Bei diesem Anruf habe Mr. Ward zum ersten Mal Dr. Allens Stimme vernommen, und diese löste bei ihm eine unbestimmte Erinnerung aus, die er nicht zuordnen könne, aber so verstörend war, dass es ihn beinahe ängstige.
    Angesichts dieser verwirrenden und widersprüchlichen Berichte wusste Dr. Willett nicht, was er unternehmen sollte. Der panische Ernst von Charles’ Brief war nicht zu übersehen, doch was sollte man davon halten, dass der Verfasser seine selbst getroffenen Vorkehrungen sofort missachtete? Der junge Ward hatte geschrieben, dass seine Forschungen blasphemische und bedrohliche Ausmaße angenommen hätten, dass sie und sein bärtiger Kollege, koste es, was es wolle, beseitigt werden müssten und dass er auf keinen Fall zum Ort des Geschehens zurückkehren würde – und doch hatte er all das vergessen und befand sich wieder inmitten des rätselhaften Geschehens.
    Der gesunde Menschenverstand gebot nun, dass man den jungen Mann seinen Mätzchen überlassen sollte, doch ein tieferer Instinkt ließ den Eindruck dieses panischen Briefes nicht verblassen. Willett las ihn erneut und konnte sich nicht dazu bringen, den Inhalt so leer und irrsinnig zu finden, wie die theatralische Wortwahl und die fehlende Konsequenz im Verhalten nahezulegen schienen. Das darin enthaltene Entsetzen war zu tief und zu echt, und in Verbindung mit allem, was der Arzt bereits wusste, beschwor es allzu lebhaft etwas

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