Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition)
Siegesbericht sein, sondern ein Flehen um Hilfe und Rat, um mich selbst wie auch die ganze Welt vor einem Grauen zu bewahren, das alle menschliche Vorstellung oder Erwartung übersteigt. Sie erinnern sich an das, was in den Briefen der Fenners über die Bürgerwehr stand, die Pawtuxet stürmte. Ebendies muss wieder geschehen, und zwar rasch. Von uns hängt mehr ab, als ich in Worte fassen kann – die gesamte Zivilisation, alle Naturgesetze, vielleicht sogar das Los des Sonnensystems und des Universums. Ich habe eine ungeheuerliche Abnormität ans Licht geholt, tat es aber im Namen der Wissenschaft. Nun müssen Sie mir im Namen allen Lebens und der Natur dabei helfen, diese wieder in die Dunkelheit zurückzustoßen.
Ich habe dieses Haus in Pawtuxet für immer verlassen, und wir müssen alles ausrotten, was dort noch existiert, ob lebendig oder tot. Ich werde dort nie mehr hingehen, und Sie dürfen keiner Aussage Glauben schenken, die das Gegenteil behauptet. Ich werde Ihnen den Grund dafür sagen, wenn wir uns sehen. Ich bin für immer nach Hause gekommen und wäre glücklich, wenn Sie mich dort aufsuchen würden, sobald Sie fünf, sechs Stunden zur Verfügung haben, um sich anzuhören, was ich mitzuteilen habe. So lange wird es dauern – und glauben Sie mir, wenn ich Ihnen sage, dass Sie nie zuvor eine dringlichere Berufspflicht hatten als diese. Mein Leben und meine Vernunft sind das Geringste, was hier an seidenem Faden hängt.
Ich wage es nicht, meinem Vater davon zu berichten, da er das Ganze wohl nicht begreifen wird. Ich habe ihm aber von meiner Gefährdung berichtet, und er hat vier Männer von einer Detektei angeheuert, die das Haus beobachten. Ich weiß nicht, ob diese zu etwas gut sind, da sie es mit Kräften zu tun haben, die nicht einmal Sie sich wirklich vorstellen können. Kommen Sie also schnell, wenn Sie mich noch lebend antreffen möchten, und hören Sie, wie Sie mir dabei helfen können, den Kosmos vor der nackten Hölle zu bewahren.
Sie können jederzeit kommen – ich werde das Haus nicht verlassen. Rufen Sie mich vorher nicht an, da man nicht wissen kann, wer oder was versuchen könnte, Sie abzuhören. Und lassen Sie uns zu allen Göttern, die es geben mag, beten, dass nichts dieses Treffen unterbindet.
In äußerster Ernsthaftigkeit und Verzweiflung,
Charles Dexter Ward
P. S.: Sollten Sie Dr. Allen sehen, erschießen Sie ihn und lösen Sie seinen Körper in Säure auf. Verbrennen Sie ihn auf keinen Fall .
Dr. Willett erhielt dieses Schreiben ungefähr um halb elf vormittags und traf unverzüglich Vorkehrungen, um den ganzen späten Nachmittag und den Abend für das wichtige Gespräch freizuhaben, und gegebenenfalls bis tief in die Nacht. Er hatte vor, um vier Uhr nachmittags zu den Wards zu gehen, und in den Stunden, die dazwischen lagen, war er derart in allen möglichen wilden Spekulationen versunken, dass er die meisten seiner Aufgaben bloß mechanisch erfüllte. So wahnsinnig der Brief für einen anderen auch geklungen hätte, Willett hatte zu viele von Charles Wards Eigenheiten mit angesehen, als dass er ihn als reinen Unfug abtun konnte. Dass irgendetwas Unterschwelliges, Uraltes und Grauenhaftes in der Luft lag, war für ihn ganz sicher, und der Auftrag in Bezug auf Dr. Allen war fast verständlich angesichts dessen, was der Klatsch von Pawtuxet über Wards rätselhaften Kollegen sagte. Willett hatte den Mann nie gesehen, doch so viel über sein Aussehen und Verhalten gehört, dass er sich fragte, was für Augen sich wohl hinter den oft erwähnten dunklen Brillengläsern verbargen.
Pünktlich um vier traf Dr. Willett bei den Wards ein, erfuhr aber zu seinem Ärger, dass Charles sich an seinen festen Entschluss, im Haus zu bleiben, nicht gehalten hatte. Die Leibwächter waren noch da, sagten aber, dass der junge Mann anscheinend einen Teil seiner Bedenken abgelegt habe. Am Morgen habe er lange telefoniert, ein von Angst und Einwänden geprägtes Gespräch, berichtete einer der Detektive. Ward habe einer unbekannten Stimme mit folgenden Phrasen geantwortet: »Ich bin völlig erschöpft und muss mich eine Zeit lang ausruhen«, »Ich kann eine Weile niemanden empfangen, Sie müssen mich entschuldigen«, »Bitte setzen Sie alle Aktionen aus, bis wir zu irgendeinem Kompromiss gelangt sind« oder »Es tut mir sehr leid, aber ich muss zu allem erst einmal Abstand gewinnen, wir sprechen später darüber«.
Anschließend habe er eine Weile nachgedacht und dabei wohl Mut geschöpft,
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