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Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition)

Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition)

Titel: Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. P. Lovecraft
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das gegenwärtige Bewusstsein und das Individuum ganz auszufüllen. Die genauen Kenntnisse des jungen Mannes über vergangene Zeiten waren sonderbar und unheimlich, und er gab sein Bestes, dies zu verbergen. Doch als Willett irgendein Lieblingsthema aus den historischen Studien des Jungen erwähnte, offenbarte Charles daraufhin mehrmals aus reinem Zufall ein Wissen, über das kein gewöhnlicher Sterblicher verfügen konnte, und der Arzt erschauderte, während die gedankenlosen Anspielungen nur so strömten.
    Es war nicht normal, dass jemand so genau wusste, wie dem fettleibigen Sheriff die Perücke vom Kopf fiel, als er sich am elften Februar des Jahres 1762, einem Donnerstag, bei einer Vorstellung der Schauspiel-Compagnie von Mr. Douglass über die Tribüne lehnte; oder wie die Schauspieler den Text von Steeles Die standhaften Liebenden derart schlecht zusammengekürzt hatten, dass es beinahe ein Segen gewesen war, als die von den Baptisten erzwungene Gesetzesänderung das Theater zwei Wochen später schloss. Dass Thomas Sabins Kutsche nach Boston »verflucht unbequem« gewesen sei, konnte man vielleicht aus alten Briefen wissen, doch welcher normale Historiker hätte wissen können, dass das Knarren des neuen Aushängeschildes von Epenetus Olney (das mit der farbenfrohen Krone, das er anbrachte, nachdem er seine Taverne in Kaffeehaus zur Krone umbenannt hatte) genauso klang wie die ersten Noten des neuen Jazz-Stückes, das alle Radiosender von Pawtuxet derzeit spielten?
    Ward ließ sich jedoch nicht lange auf diese Weise ausfragen. Moderne und persönliche Gesprächsthemen wischte er brüsk beiseite, während er sich von älteren Geschehnissen nun überaus gelangweilt zeigte. Ganz offensichtlich hegte er nur den Wunsch, seinen Besucher so weit zufriedenzustellen, damit dieser sich verabschiede, ohne wiederkehren zu wollen. Zu diesem Zweck erbot er sich, Willett das gesamte Haus zu zeigen, und führte den Doktor sogleich durch jeden Raum vom Keller bis zum Speicher. Willett hielt genau Ausschau. Er bemerkte, dass die sichtbaren Bücher zu wenige und zu alltäglich waren, um die breiten Lücken in Wards Regalen daheim zu erklären, und dass das dürftige sogenannte ›Laboratorium‹ ein Blendwerk der fadenscheinigsten Art war. Ganz klar befanden sich anderswo eine Bibliothek und ein Labor, doch wo genau war unmöglich festzustellen.
    Da Willett auf der Suche nach etwas Benennbarem gescheitert war, kehrte er vor Anbruch der Nacht in die Stadt zurück und berichtete dem älteren Ward von allem, was er erlebt hatte. Sie stimmten überein, dass der Junge eindeutig den Verstand verloren haben musste, beschlossen aber, vorerst keine drastischen Maßnahmen zu ergreifen. Vor allem musste Mrs. Ward in einer so vollständigen Unwissenheit gehalten werden, wie es die seltsamen getippten Nachrichten ihres Sohnes zuließen.
    Mr. Ward fasste nun den Entschluss, seinem Sohn persönlich einen Überraschungsbesuch abzustatten. Dr. Willett fuhr ihn eines Abends mit seinem Wagen dorthin und geleitete ihn bis in Sichtweite des Bungalows, dann wartete er geduldig seine Rückkehr ab. Die Unterhaltung dauerte recht lange, und der Vater kehrte in einem sehr betrübten und fassungslosen Zustand zurück. Er sei ganz ähnlich wie Willett empfangen worden, nur dass es überaus lange gedauert habe, bis Charles aufgetaucht sei, nachdem der Besucher sich seinen Weg ins Vorzimmer erzwungen und den Portugiesen mit einer strengen Forderung weggeschickt habe. Im Verhalten seines veränderten Sohnes ihm gegenüber habe keine Spur familiärer Zuneigung gelegen. Das Licht sei abgedunkelt gewesen, doch selbst so habe der junge Mann sich beschwert, dass es ihn fürchterlich blende. Er habe sehr leise gesprochen und behauptet, sein Hals sei entzündet, doch in seinem rauen Flüstern habe etwas derart Verstörendes gelegen, dass Mr. Ward es nicht aus seinen Gedanken verbannen könne.
    Mr. Ward und Dr. Willett waren nun endgültig überzeugt, alles nur Menschenmögliche zur geistigen Rettung des jungen Mannes zu unternehmen, und sie gingen sogleich daran, jeden Fetzen Information zu sammeln, der irgendwie mit dem Fall zu tun hatte. Als Erstes untersuchten sie den Klatsch in Pawtuxet, und daran kamen sie vergleichsweise einfach, da sie beide Freunde in dieser Gegend hatten. Dr. Willett trug die meisten Gerüchte zusammen, weil die Leute sich ihm gegenüber freimütiger äußerten als dem Vater der fraglichen Person. Aus allem, was der Arzt hörte, konnte er

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