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Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition)

Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition)

Titel: Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. P. Lovecraft
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Randolph Carter über die Macht dieses Zeichens berichtet hatte.
    Einen Moment darauf vergaß er das Symbol, da er einen neuen, scharfen Geruch in der ohnehin von Gestank erfüllten Luft wahrnahm. Es handelte sich eher um einen chemischen als um einen animalischen Geruch, und er drang eindeutig aus dem Raum hinter der Tür. Es handelte sich unverkennbar um denselben Geruch, nach dem die Kleidung von Charles Ward gerochen hatte, an dem Tag, als die Ärzte ihn von hier fortgebracht hatten. Also war er hier unten bei seinen Beschwörungen unterbrochen worden? Charles hatte klüger reagiert als der alte Joseph Curwen, denn er hatte keinen Widerstand geleistet.
    Willett war fest entschlossen, jedes Mysterium und jeden Nachtmahr dieses unterirdischen Reiches zu enthüllen, also ergriff er die kleine Lampe und trat über die Schwelle. Eine Welle namenloser Angst wallte ihm entgegen, doch ließ er sich nicht von dem unguten Gefühl einer schlimmen Vorahnung aufhalten. Hier gab es nichts Lebendiges, das ihm Schaden zufügte, und nichts konnte ihn davon abhalten, den grässlichen Brodem zu zerteilen, der seinen Patienten umschlang.
    Der Raum hinter der Tür war mittelgroß und enthielt keine Möbel außer einem Tisch, einem einzelnen Stuhl und zwei kuriose Maschinen mit Zwingen und Rädern, die Willett nach kurzem Nachdenken als mittelalterliche Folterinstrumente erkannte. Auf einer Seite der Tür stand ein Gestell mit barbarischen Peitschen, und darüber hing ein Regal mit flachen Schalen aus Blei, deren Füße wie altgriechische Kylikes geformt waren. Auf der anderen Seite stand ein Tisch, darauf eine wuchtige Argand-Lampe, ein Schreibblock, ein Stift und zwei der verschlossenen henkellosen Gefäße aus den Regalen des anderen Raumes – alles offenbar in aller Hast abgesetzt.
    Willett entzündete die Lampe und sah sich den Block an, um zu lesen, was Charles wohl aufgeschrieben hatte, bis er unterbrochen worden war. Er fand aber nur die folgenden unzusammenhängenden Kritzeleien in der schwer leserlichen Handschrift von Curwen, die den Fall an sich nicht erhellten:
    »B. nicht verschieden. Flucht in die Wände, fand eynen Platz unten.« ... »Sah den alten V. das Sabaoth sagen und lernt’ die Art & Weys.« ... »Beschwor dreymal Yog-Sothoth herauf, und am nächsten Tage war’s gethan.« ... »F. strebte danach, alle die davon wußten, wie man Jene von Außen herbeyrufet, auszulöschen.«
    Die starke Argandlampe erhellte nun den gesamten Raum, und der Arzt bemerkte an der Mauer gegenüber der Tür zwischen den beiden Marterwerkzeugen einige Haken, an denen mehrere formlos aussehende Roben von einer tristen, gelblich weißen Färbung hingen. Weitaus interessanter waren allerdings die beiden freien Wände, die beide über und über mit mystischen Symbolen und Formeln bedeckt waren, die man grob in den glatten Stein eingemeißelt hatte. Auch der feuchte Boden trug Meißelspuren; ohne größere Schwierigkeiten erkannte Willett ein riesiges Pentagramm in der Mitte, umgeben von einfachen Kreisen, die auf halbem Weg zwischen dem Pentagramm und jeder Ecke rund einen Meter maßen.
    In einem dieser vier Kreise, dicht bei einer achtlos zu Boden geworfenen gelblichen Robe, stand eine der flachen Kylikes-Schalen aus dem Regal über dem Peitschenständer. Etwas außerhalb des Randes stand eines der Phalerongefäße aus den Regalen des anderen Raumes. Es trug ein Schildchen mit der Nummer 118, war geöffnet und erwies sich bei näherer Betrachtung als leer. Willett sah jedoch, dass die flache Kylix-Schale nicht leer war. Es lag eine kleine Menge trockenes, graugrünes Pulver darin, das aus dem Glasgefäß stammen musste. Es war nur deshalb noch nicht verwirbelt worden, weil sich in dieser einsamen Höhle kein Lufthauch regte. Willett schwankte beinahe bei den Gedanken, die allmählich auf ihn einstürzten, als er angesichts der verschiedenen Substanzen und Voraussetzungen dieser Szene eins und eins zusammenzählte. Die Peitschen und Folterinstrumente, der Staub oder die Salze aus dem Regal mit der Aufschrift ›Materia‹, die beiden Behälter aus dem ›Custodes‹-Regal, die Roben, die Formeln auf den Mauern, die Notizen auf dem Schreibblock, die Andeutungen in den Briefen und den Legenden sowie die tausend Beobachtungen, Zweifel und Befürchtungen, die seit Langem die Freunde und die Eltern von Charles Ward quälten – all das schlug in einer Welle des Grauens über dem Arzt zusammen, während er das trockene, grünliche Pulver in der

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