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Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition)

Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition)

Titel: Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. P. Lovecraft
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Fotografie seines unglücklichen Sohnes, auf die er jetzt mit Tinte sorgfältig die dunkle, schwere Brille und den schwarzen Spitzbart aufmalte, wie sie die Männer in Allens Zimmer gefunden hatten.
    Zwei Stunden lang wartete er mit dem Arzt in dem bedrückenden Haus, wo sich allmählich Furcht und Miasma ansammelten, während das leere Paneel oben in der Bibliothek immer weiter ins Leere starrte und starrte und starrte. Dann kehrten die Männer zurück. Ja, die veränderte Fotografie sei ein durchaus passables Abbild von Dr. Allen . Mr. Ward erbleichte, und Willett wischte sich mit einem Taschentuch über die plötzlich schweißnasse Stirn.
    Allen – Ward – Curwen –, es wurde allmählich zu entsetzlich, um es in einen zusammenhängenden Gedanken zu fassen. Was hatte der Junge aus dem Nichts heraufbeschworen? Was hatte es ihm angetan? Was war von Anfang bis Ende wirklich geschehen? Wer war dieser Allen, der Charles töten wollte, weil der zu ›zimperlich‹ sei, und warum hatte sein erwähltes Opfer im Postskriptum seines panischen Briefes geschrieben, Allen müsse vollständig in Säure aufgelöst werden? Und warum hatte auch die Nachricht in Minuskelschrift, über deren Herkunft niemand auch nur nachzudenken wagte, in gleicher Weise die Vernichtung von ›Curwen‹ gefordert? Was bewirkte die Veränderung, und wann war die letzte Phase eingetreten?
    An jenem Tag, als Willett das panische Schreiben erhalten hatte – Charles war den ganzen Morgen über sehr gehetzt gewesen, doch mit einem Mal nicht mehr. Er war unbemerkt aus dem Haus geschlichen und bei seiner Rückkehr kühn an den Männern vorbeistolziert, die zu seinem Schutz angeheuert worden waren. Es war in der Zeit passiert, als er außer Haus war. Doch nein – hatte er nicht entsetzt aufgeschrien, als er sein Arbeitszimmer betrat? Was hatte er dort vorgefunden? Oder besser: Was hatte ihn gefunden? Dieses Blendwerk, das mit kühnem Schritt eintrat, obwohl es gar nicht fortgegangen war – war das ein fremder Schatten und ein Grauen, das sich eine zitternde Gestalt packte, die nie das Haus verlassen hatte? Hatte der Butler nicht von eigenartigen Geräuschen gesprochen?
    Willett klingelte nach dem Mann und stellte ihm leise einige Fragen. Es sei auf jeden Fall heftig gewesen. Diese Geräusche – ein Schrei, ein Keuchen und Röcheln, dann ein Klappern oder Knirschen oder Klopfen, oder alles drei zusammen. Und Mr. Charles sei ganz verändert gewesen, als er wortlos aus dem Zimmer stürmte. Der Butler hatte beim Erzählen mehrmals die schwere Luft eingesogen, die aus irgendeinem offenen Fenster im Obergeschoss herabwehte.
    Das Grauen hatte in diesem Hause Einzug gehalten, das war sicher, und allein den geschäftsmäßigen Detektiven schien das nicht recht bewusst zu sein. Doch auch sie waren unruhig, da in diesem Fall zu viele unklare Elemente am Werk waren, die ihnen nicht behagten. Dr. Willett dachte angestrengt nach, und seine Gedanken waren entsetzlich. Dann und wann fing er beinahe an, vor sich hinzumurmeln, während er im Geiste eine neue, grausige und immer logischere Kette albtraumhafter Ereignisse durchlief.
    Mr. Ward beendete die Besprechung und alle außer ihm und dem Doktor verließen den Raum. Es war inzwischen Mittag, doch schienen Schatten wie beim Anbruch der Nacht das von Geistern heimgesuchte Anwesen zu verschlingen. Willett begann sehr ernst mit seinem Gastgeber zu sprechen, und drängte ihn, einen Großteil der zukünftigen Untersuchungen ihm zu überlassen. Er sagte vorher, dass einige scheußliche Dinge aufgedeckt werden würden, die ein Freund besser ertragen könne als ein Familienangehöriger. Als ihr Hausarzt müsse er freie Hand haben, und er bitte als Erstes, sich einige Zeit allein und ungestört in der verlassenen Bibliothek oben aufhalten zu dürfen, wo die alte Kaminverkleidung von einer Aura abstoßenden Grauens umgeben sei, die jetzt noch ausgeprägter schien als zuvor, als Joseph Curwens Gesicht von den bemalten Paneelen verstohlen herabgespäht hatte.
    Mr. Ward, der von der Flut an grotesken Morbiditäten und unglaublichen irrsinnigen Andeutungen, die ihm von allen Seiten entgegenströmten, wie betäubt war, konnte nur zustimmen und eine halbe Stunde später hatte sich der Arzt in den gemiedenen Raum mit der Wandverkleidung aus Olney Court eingeschlossen. Der Vater lauschte im Flur und hörte, dass Willett herumstöberte, dann erklang ein Reißen und Knirschen, als öffne Willett eine klemmende Schranktür. Es folgte ein

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