Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition)
gedämpfter Ausruf, ein schnaubendes Würgen und ein eiliges Zuschlagen des zuvor Geöffneten. Beinahe sofort klapperte der Schlüssel im Schloss und Willett trat heraus, verstört und schaurig blass, und forderte Brennholz für den echten Kamin in der Südwand des Zimmers. Der nachgemachte Kamin reiche nicht aus, sagte er, und dessen künstliche Scheite nützen wohl kaum etwas.
Mr. Ward brannte darauf, Fragen zu stellen, wagte es aber nicht. Er gab nur die nötigen Anweisungen, und kurz darauf brachte ein Mann ein paar dicke Pinienholzscheite herauf. Als er in die unreine Luft der Bibliothek trat, um das Holz in den Kaminrost zu legen, graute es ihm. In der Zwischenzeit war Willett in das aufgegebene Laboratorium nach oben gegangen und brachte einige Habseligkeiten von dort mit, die beim Umzug im letzten Juli zurückgelassen worden waren. Sie lagen in einem abgedeckten Korb, sodass Mr. Ward nie sah, worum es sich eigentlich handelte.
Der Arzt sperrte sich wieder in der Bibliothek ein, und anhand der Rauchwolken, die draußen aus dem Schornstein stiegen und an den Fenstern vorbeistrichen, sah man, dass er ein Feuer entzündet hatte. Später, nach dem Rascheln von Zeitungen, hörte man erneut das sonderbare Reißen und Knarren, gefolgt von einem Klopfen, das keinem der Lauschenden behagen wollte. Danach schrie Willett zweimal unterdrückt auf und unmittelbar darauf ertönte ein brausendes, beklemmendes Geknister. Jetzt wurde der Rauch, den der Wind vom Schornstein herabwehte, sehr dunkel und beißend, und alle wünschten, das Wetter hätte ihnen diese erstickende und giftige Flut eigenartiger Dämpfe erspart. Mr. Ward schwirrte der Kopf, und die Dienstboten drängten sich zu einem Haufen zusammen und schauten zu, wie der schreckliche schwarze Qualm herabquoll.
Nach einer Ewigkeit des Wartens schien der Rauch heller zu werden, und hinter der verschlossenen Tür hörte man undeutliche Geräusche wie Kratzen, Kehren und andere schlichte Aktivitäten. Am Ende, nachdem eine Schranktür zuknallte, tauchte Willett endlich wieder auf – bedrückt, blass und erschüttert, in den Händen den mit einem Tuch verhüllten Korb, den er aus dem Labor mitgebracht hatte. Er hatte alle Fenster geöffnet und so strömte in diesen zuvor verwünschten Raum frische, gesunde Luft, um sich mit dem frischen Geruch von Desinfektionsmitteln zu vermischen. Die alte Kaminverkleidung war noch da, schien aber ihre böse Ausstrahlung verloren zu haben, ihre weißen Paneele wirkten stumm und feierlich, als hätten sie nie das Bildnis von Joseph Curwen getragen. Die Nacht brach an, doch dieses Mal brachten die Schatten keine schleichende Furcht, nur eine sanfte Melancholie.
Was er getan hatte, wollte Dr. Willett nie erklären. Zu Mr. Ward sagte er nur: »Ich kann keine Fragen beantworten, nur so viel: Es gibt verschiedene Arten der Magie. Ich habe eine große Reinigung vollzogen. Alle, die in diesem Haus wohnen, werden in Zukunft viel besser schlafen.«
7
Dass Dr. Willetts ›Reinigung‹ eine ebenso nervenzerreißende Prüfung gewesen war wie sein entsetzlicher Streifzug durch die inzwischen unauffindbaren unterirdischen Gewölbe, zeigte sich in der Tatsache, dass der alte Arzt einen Zusammenbruch erlitt, als er an jenem Abend nach Hause kam. Drei Tage ruhte er sich in seinem Zimmer aus, obwohl die Dienstboten später verbreiteten, sie hätten ihn am Mittwoch nach Mitternacht gehört, wie er die Haustür sehr leise geöffnet und wieder geschlossen habe. Glücklicherweise ist die Vorstellungskraft von Dienstboten meist beschränkt, denn ansonsten hätte am Donnerstag ein Artikel im Evening Bulletin sicherlich ihren Argwohn erregt, der wie folgt lautete:
Grabschänder auf dem Nordfriedhof
wieder am Werk
Zehn ruhige Monate nach der schmählichen Verwüstung der Grabstätte der Weeden-Familie erspähte der Nachtwächter des Nordfriedhofes, Robert Hart, heute in den frühen Morgenstunden wieder einen nächtlichen Herumtreiber. Hart schaute gegen zwei Uhr morgens aus seinem Wachhäuschen und bemerkte dabei den Lichtschein einer Laterne oder Taschenlampe im Nordfeld des Friedhofes. Als er die Tür öffnete, erkannte er die Gestalt eines Mannes mit einem Spaten, die sich sehr deutlich vor dem Lichtschein dicht daneben abzeichnete. Der Wächter machte sich unverzüglich an die Verfolgung und sah, wie die Gestalt in Richtung Haupteingang eilte, die Straße erreichte und dort in der Dunkelheit verschwand, ehe sie eingeholt werden konnte.
Ganz so wie
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