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Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition)

Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition)

Titel: Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. P. Lovecraft
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eingefallen, hätte ich von meinem Besuch Abstand genommen. Doch so konnte ich das nicht ohne Weiteres tun – und mir kam der Gedanke, dass eine kühle, wissenschaftliche Unterhaltung mit Akeley nach meiner Ankunft mir dabei helfen könnte, meine Fassung wiederzuerlangen.
    Zudem besaß die hypnotische Landschaft, durch die wir uns in absonderlichem Auf und Ab bewegten, ein sonderbar beruhigendes Element kosmischer Schönheit. Die Zeit selbst hatte sich in diesen Labyrinthen verlaufen, und um uns her erstreckten sich die blumenreichen Wogen des Feenlandes und die neu belebte Lieblichkeit entschwundener Jahrhunderte – ehrwürdige Haine, unberührte Weiden voller farbenfroher Herbstblumen und, in weiten Abständen, kleine braune Gehöfte inmitten riesiger Bäume, gelegen am Fuße steiler Abhänge voll duftender Wildrosen und Weidegras. Selbst das Sonnenlicht nahm einen überirdischen Glanz an, als umhülle eine ungewöhnliche Atmosphäre oder ein besonderer Odem das gesamte Gebiet. Nie hatte ich dergleichen gesehen – mit Ausnahme der magischen Landschaften, die bei den frühen italienischen Meistern zuweilen als Bildhintergrund dienen. Sodoma und Leonardo hatten solche Weiten ersonnen, aber sie sind nur in der Ferne und durch die Bögen von Renaissance-Arkaden zu sehen. Wir bahnten uns nun leibhaftig den Weg durch die Mitte eines Bildes, und ich glaubte, in dessen Beschwörung der Vergangenheit etwas zu finden, das ich im tiefsten Inneren schon immer gekannt oder erahnt und nach dem ich alle Zeit vergebens gesucht hatte.
    Nachdem wir eine beträchtliche Steigung genommen hatten und der Straße in einer weiten Kurve gefolgt waren, kam der Wagen mit einem Mal zum Stehen. Zu meiner Linken erhob sich hinter einem gepflegten Rasen, der bis zur Straße reichte und von weißen Steinen gesäumt wurde, ein zweieinhalbstöckiges Haus, das für diese Gegend ungewöhnlich groß und elegant wirkte. Rechts davon und hinter dem Gebäude befanden sich eine Windmühle sowie eine Reihe von Scheunen und Schuppen, die durch Arkaden miteinander verbunden waren. Ich erkannte das Haus sogleich von dem Foto wieder, das ich erhalten hatte, und war nicht überrascht, als ich auf dem verzinkten Briefkasten an der Straße den Namen Henry Akeley las. Hinter dem Haus befand sich eine ebene Fläche sumpfigen, kargen Landes, das sich bis zu einem steil ansteigenden, dicht bewaldeten Hang erstreckte, über dem ein zerklüfteter Bergkamm aufragte. Das war ohne Zweifel der Gipfel des Dark Mountain, also mussten wir den Berg bis auf halbe Höhe bewältigt haben.
    Noyes stieg aus dem Wagen, nahm meine Reisetasche und bat mich, draußen zu warten, während er ins Haus ging und Akeley von meiner Ankunft unterrichtete. Er selbst, so fügte er hinzu, habe andernorts noch Wichtiges zu erledigen, weshalb er sich nur kurz hier aufhalten könne. Als er rasch auf das Haus zuging, stieg ich ebenfalls aus, um mir die Beine etwas zu vertreten, ehe ich mich zu einer langen Unterhaltung niederlassen würde. Mein Gefühl der Nervosität und der Anspannung hatte nun seinen Höhepunkt erreicht, da ich mich an dem Ort des Geschehens befand – dem Ort der unnatürlichen Belagerung, die Akeley in seinen Briefen so eindringlich beschrieben hatte. Ich muss offen gestehen, ich fürchtete mich vor den bevorstehenden Gesprächen, die mich mit diesen fremdartigen und verbotenen Welten in Verbindung setzen würden.
    Der unmittelbare Kontakt mit dem absolut Fantastischen ist meist eher erschreckend als inspirierend, und es verbesserte nicht gerade meine Stimmung, dass, nach mondlosen Nächten voller Angst und Tod, Akeley genau auf dieser staubigen Straße die monströsen Spuren und den faulig-grünen Lebenssaft gefunden hatte.
    Nebenbei fiel mir auf, dass von Akeleys Hunden nichts zu hören und zu sehen war. Hatte er sie etwa alle gleich verkauft, nachdem die Außerweltlichen Frieden mit ihm geschlossen hatten? Wie sehr ich mich auch bemühte, ich konnte der Echtheit und der Aufrichtigkeit dieses Friedens nicht so viel Vertrauen schenken wie Akeley in seinem letzten und so gänzlich andersartigen Brief. Schließlich war er ein recht einfacher, wenig welterfahrener Mann. Könnte unter der Oberfläche des neuen Bündnisses nicht vielleicht eine neue finstere Bedrohung lauern?
    Gedankenversunken richtete ich den Blick auf die staubige Straße, auf der so scheußliche Beweise gefunden worden waren. In den letzten Tagen hatte es nicht geregnet, und auf der ausgefahrenen, holprigen

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