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Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition)

Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition)

Titel: Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. P. Lovecraft
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zurückdrehen, da man im nördlichen Bergland nichts mit der neumodischen Sommerzeit zu schaffen haben wolle. Als ich es tat, kam es mir vor, als würde ich zugleich den Kalender um ein Jahrhundert zurückstellen.
    Die Zugstrecke verlief nahe am Fluss, und drüben in New Hampshire konnte ich den Hang des steilen Wantastiquet-Berges sehen, um den sich außergewöhnliche alte Legenden ranken. Dann tauchten zur Linken Straßen auf, und zur Rechten sah ich eine bewaldete Insel inmitten des Stromes. Die Leute erhoben sich, gingen Richtung Ausgang, und ich folgte ihnen. Der Zug hielt, ich stieg aus und betrat die lange Bahnsteighalle des Bahnhofs von Brattleboro.
    Als ich einen Blick auf die Reihe wartender Autos warf, fragte ich mich, welcher Wagen sich wohl als Akeleys Ford entpuppen würde, doch wurde ich erkannt, bevor ich die Initiative ergreifen konnte.
    Es war allerdings nicht Akeley selbst, der mit ausgestreckter Hand auf mich zukam und mit sanfter Stimme fragte, ob ich Mr Albert N. Wilmarth aus Arkham sei. Diese Person wies keinerlei Ähnlichkeit mit dem bärtigen ergrauten Akeley auf, den ich von dem Schnappschuss her kannte; dies hier war ein jüngerer und weltgewandterer Mann, modisch gekleidet und mit einem nur kleinen dunklen Oberlippenbärtchen. Seine kultivierte Stimme schien mir auf seltsame und beinahe beunruhigende Weise vertraut zu sein, obwohl ich sie nicht einordnen konnte.
    Ich betrachtete ihn, und er erklärte, er sei ein Freund meines Gastgebers und an seiner Stelle aus Townshend gekommen, um mich abzuholen. Akeley sei ganz plötzlich an einem asthmatischen Leiden erkrankt und fühle sich einer Fahrt an der frischen Luft nicht gewachsen. Es sei jedoch keine ernsthafte Erkrankung, und an den Plänen hinsichtlich meines Besuches habe sich nichts geändert. Mir war nicht klar, wie viel dieser Mr Noyes – so hatte er sich mir vorgestellt – von Akeleys Nachforschungen und Entdeckungen wusste, doch kam er mir aufgrund seiner lockeren Art eher wie ein Uneingeweihter vor. Angesichts des Einsiedlerlebens, das Akeley führte, überraschte es mich ein wenig, dass er so schnell einen Freund bei der Hand hatte, aber ich ließ mich von meiner Verwirrung nicht abhalten, in den Wagen zu steigen, zu dem Noyes mich brachte. Es war nicht das kleine uralte Automobil, das ich anhand von Akeleys Beschreibungen erwartet hätte, sondern ein großes und makelloses Exemplar neuerer Bauart. Allem Anschein nach handelte es sich um Noyes’ eigenen Wagen, der ein Nummernschild aus Massachusetts führte – versehen mit der amüsanten ›heiligen‹ Sportfischerplakette des laufenden Jahres, was darauf hindeutete, dass mein Begleiter seinen Sommerurlaub in der Gegend von Townshend verbrachte. Noyes stieg neben mir in den Wagen und fuhr unverzüglich los. Ich war froh darüber, dass er nicht gerade vor Redseligkeit überschäumte, denn ich verspürte eine sonderbare Anspannung und war nicht in Plauderstimmung. Als wir eine Anhöhe hinaufbrausten und nach rechts auf die Hauptstraße einbogen, schien mir das Städtchen im Licht der Nachmittagssonne sehr reizvoll zu sein. Es döste vor sich hin wie all die alten neuenglischen Kleinstädte, an die man sich noch aus seiner Kindheit erinnern mag, und irgendetwas in dem Zusammenklang von Dächern, Türmchen, Schornsteinen und Ziegelmauern rührte in mir Saiten tiefer vorväterlicher Gefühle an. Ich wusste, ich befand mich hier an der Schwelle zu einer Gegend, die unter dem Zauberbann ungebrochener Zeitläufe stand; einer Gegend, wo Altes und Seltsames verweilen und gedeihen konnte, weil es niemals gestört worden war.
    Als wir Brattleboro verließen, verstärkte sich mein Gefühl der Beklommenheit und Vorahnung noch, denn irgendetwas an der bergigen Landschaft mit ihren aufragenden, bedrohlichen, immer näher rückenden bewaldeten und felsigen Hängen beschwor obskure Geheimnisse und Überbleibsel aus unvordenklichen Zeiten, die der Menschheit feindlich gesinnt sein mochten oder auch nicht. Eine Zeit lang folgte unsere Straße einem breiten, seichten Fluss, der sich aus unbekannten Bergen im Norden ergoss, und ich erschauderte, als mein Begleiter mir sagte, dies sei der West River. Wie ich aus den Zeitungsberichten wusste, war dies einer der Flüsse, in dem man nach der Überschwemmung einige der abscheulichen krabbenartigen Geschöpfe gesehen hatte.
    Die Landschaft um uns herum wurde nach und nach immer wilder und einsamer. Altertümlich überdachte Brücken siechten beängstigend

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