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Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition)

Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition)

Titel: Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. P. Lovecraft
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in den Felsklüften vor sich hin, und die halb stillgelegte Bahntrasse entlang des Flusses schien von einer fast greifbaren Verlassenheit umgeben zu sein. Es gab atemberaubende, von Leben strotzende Täler, aus denen große Felsen aufragten; grau und streng schimmerte der jungfräuliche Granit Neuenglands durch die Vegetation der Hänge. Es gab Schluchten, durch die ungezähmte Bäche rauschten und den Fluss mit den unvorstellbaren Geheimnissen tausend unwegsamer Gipfel speisten. Hie und da gingen schmale halb verborgene Straßen ab, um sich ihren Weg durch die dichten, üppigen Wälder zu bahnen, in deren urzeitlichen Bäumen ganze Heerscharen von Elementargeistern zu lauern schienen. Bei diesem Anblick dachte ich daran, wie Akeley während seiner Fahrten auf genau dieser Route von unsichtbaren Wesenheiten belästigt worden war, und ich wunderte mich nun überhaupt nicht mehr darüber, dass dies hatte geschehen können.
    Das malerisch gelegene Dorf Newfane, das wir nach weniger als einer Stunde Fahrt erreicht hatten, war unsere letzte Verbindung zu der Welt, die der Mensch aufgrund seiner Eroberungen und vollständigen Besiedlung die seine nennen darf. Danach ließen wir alle unmittelbaren, greifbaren und der Zeit unterworfenen Dinge zurück und tauchten ein in eine fantastische Welt schweigsamer Unwirklichkeit, zwischen deren unbewohnten grünen Gipfeln und halb verlassenen Tälern das schmale Band der Straße fast wie aus eigener Laune heraus seine Schlangenlinien zog. Außer dem Brummen des Motors und den schwachen Geräuschen der entlegenen Höfe, die wir in unregelmäßigen Abständen passierten, kam mir nichts zu Ohren als das tückische Gluckern und Gurgeln seltsamer Gewässer, die sich aus zahllosen verborgenen Quellen im Schatten der Wälder speisten.
    Die unmittelbare Nähe der niedrigen kuppelförmigen Berge raubte mir buchstäblich den Atem. Ihre Hänge fielen steiler und abrupter ab, als ich es mir nach den Erzählungen vorgestellt hatte, und sie schienen nichts mit der uns bekannten prosaisch-nüchternen Welt zu schaffen zu haben. Die dichten menschenleeren Wälder auf diesen unzugänglichen Hängen schienen fremdartige und unglaubliche Dinge zu beherbergen. Ich hatte das Gefühl, schon die äußere Form dieser Berge deute auf eine sonderbare und seit Urzeiten vergessene Bedeutung hin – als seien sie die gewaltigen Hieroglyphen einer sagenumwobenen Rasse von Titanen, deren Ruhm allein in seltenen tiefen Träumen fortlebt. Alle Legenden aus alter Zeit und all die bestürzenden Mutmaßungen aus Henry Akeleys Briefen und Beweisstücken vereinten sich in meiner Erinnerung, um das Gefühl der Beklemmung und Bedrohung noch zu verstärken. Der Sinn und Zweck meines Besuches und die furchtbaren Abnormitäten, die seine Voraussetzung waren, stürzten mit einer solchen Eiseskälte über mich herein, dass mir meine Lust auf seltsame Nachforschungen beinahe ganz abhanden kam.
    Meinem Fahrer musste aufgefallen sein, wie verstört ich war – während die Straße immer primitiver und unebener und unsere Fahrt langsamer und holpriger wurde, nahmen seine gelegentlichen freundlichen Erklärungen bald die Form eines längeren Vortrags an. Er sprach von der eigentümlichen Schönheit des Landes und ließ eine gewisse Vertrautheit mit den Volkskundestudien meines Gastgebers erkennen. Aus seinen höflichen Fragen konnte ich folgern, dass er den wissenschaftlichen Anlass meines Besuches kannte und wusste, dass ich Unterlagen von einiger Wichtigkeit mit mir führte; es deutete jedoch nichts darauf hin, dass er von der Tiefe und dem Grauen des Wissens, das Akeley zuteilgeworden war, auch nur etwas ahnte.
    Seine gute Laune, sein normales Verhalten und seine höflichen Erläuterungen hätten mich eigentlich beruhigen sollen; sonderbarerweise aber wuchs mein Unbehagen noch, als wir immer tiefer in die unbekannte Wildnis der Berge und Wälder eintauchten. Zuweilen gewann ich den Eindruck, er wolle in Erfahrung bringen, was ich von den ungeheuerlichen Geheimnissen der Gegend wisse, und mit jedem seiner Sätze verstärkte sich die undeutliche, quälende und verwirrende Vertrautheit seiner Stimme. Diese Vertrautheit war alles andere als gewöhnlich oder harmlos, trotz des durchaus normalen und kultivierten Klanges der Stimme. Irgendwie brachte ich sie mit vergessenen Albträumen in Zusammenhang, und ich hatte das Gefühl, den Verstand verlieren zu müssen, sollte ich sie wiedererkennen. Wäre mir ein halbwegs plausibler Vorwand

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