Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition)
Carter Brown- und die John Hay-Library, welche heute die weltgrößte Lovecraftiana-Sammlung besitzt) und private Sammlungen.
Pastor James Manning, der erste Präsident des Rhode Island College (der heutigen Brown University) und Begründer der ersten, sehr bescheidenen Universitätsbibliothek im Jahre 1767 ist es, den die Ereignisse auf Curwens Hof am stärksten in Mitleidenschaft ziehen (weil er von allen Beteiligten die stärkste Fantasie hat). An solchen Details hat nun wirklich nur der Vergnügen, der die Hintergründe kennt. Für Lovecrafts eigene Biografie sehr wichtig ist das Providence Athenäum, eine kleine, aber erlesene Bibliothek in privatem Besitz, die für ein geringes Entgelt dem Publikum offensteht und eher den Charakter eines englischen Clubs besitzt. Sie besteht noch heute und ist nur wenige Schritte von den meisten Wohnungen Lovecrafts entfernt. Der junge Charles Ward sucht diese und andere Bibliotheken auf, als er sich das Hintergrundwissen erwerben will, das er braucht, um seinen Vorfahren ins Leben zurückzubringen, muss aber nach Boston ausweichen, weil die Bestände in Providence in Sachen Magie unergiebig sind.
Aufschlussreich als eine Art Evokation der »geistigen Atmosphäre«, in der sich Joseph Curwen aufhält, ist die von Lovecraft liebevoll und detailliert gestaltete Beschreibung seiner persönlichen wissenschaftlichen und alchemistischen Bibliothek. Curwen ist kein abergläubischer Obskurantist: Seine Lektüre ist naturwissenschaftlich »auf der Höhe der Zeit«, wie Lovecraft durch Namen wie Johannes Baptista Van Helmont (1579–1644, Arzt und Paracelsist), Franciscus Sylvius (1614–1772, Arzt und Iatrochemiker, der als Erster das Wesen der Lungentuberkulose erkannte und gehirnanatomische Studien betrieb), Johann Rudolf Glauber (1604–1670, Chemiker und Pharmazeut, der Entdecker des Glaubersalzes = Na2SO4), Robert Boyle (1627–1691, Physiker, Chemiker, Erfinder der Luftpumpe, der sein Geld übrigens in die Übersetzung der Bibel in diverse osteuropäische und orientalische Sprachen steckte), Hermann Boerhaave (1668–1738, Arzt, Botaniker, führender Schulmediziner seiner Zeit), Johann Joachim Becher (1635–1682, Alchemist und Merkantilist) und Georg Ernst Stahl (1660–1734, Chemiater) demonstriert, alles bedeutende Naturwissenschaftler des 17. und 18. Jahrhunderts, also Vordenker jener Wissenschaft, welche gerade (in mehreren Schritten) die Alchemie überwunden hat. Neben diesen im Rahmen der damaligen Zeit »wissenschaftlichen« Schriften sammelt Curwen nun aber auch und vor allem die Werke aller großen Magier und Thaumaturgen der Menschheit, und auch sie zählt Lovecraft exemplarisch, aber detailliert auf. Alle genannten Bücher (und Ausgaben) sind real, mit der einzigen Ausnahme des Necronomicons. »Mittelalterliche Juden und Araber waren zahlreich vertreten«; sie machen ja in der Tat einen wichtigen Anteil an der alchemistischen und magischen Tradition des Westens aus.
Auf dem verborgenen Friedhof von St. John (Benefit Street) – den der jungen Charles Ward besucht – findet sich bis heute das Grabmal des Dr. John Merritt, den Lovecraft mehrfach in ›Charles Dexter Ward‹ nennt. Als einer der ersten wirklich »gebildeten« Bürger von Providence hat er den Autor vielfach beschäftigt. Um 1746 wohl aus Newport zugezogen, besaß er 1750 das erste astronomische Teleskop in Providence, was der Hobbyastronom Lovecraft auch in Briefen erwähnt (etwa vom 16. April 1935 an Richard F. Searight). Seine Farm östlich der heutigen Arlington Avenue, am Ufer des Seekonk River, war wohlorganisiert und erfolgreich; die schwarzen Sklaven wohnten in eigenen Häusern und wurden gut behandelt. Auch ihn lässt Lovecraft mit Curwen zusammentreffen, wobei er (ganz zutreffend) erwähnt, dass John Merritt die erste Kutsche in Providence besaß (freilich gab es noch kaum Straßen, die für eine solche wirklich geeignet waren). 1770 starb der Gentleman, über den es noch viele Anekdoten gibt (auch sein Testament mit Verzeichnis seiner Bücher ist erhalten, wie Testamente überhaupt eine wichtige Quelle für die Sozialgeschichte dieser Jahre sind).
Tatsächlich sind die allermeisten Personen in ›The Case of Charles Dexter Ward‹ ganz real – Curwen selbst natürlich nicht, obwohl sein Familienname in Neuengland Tradition hat. Kapitän Esek Hopkins etwa, der im letzten Augenblick zu der Rotte hinzu gerufen wird, welche Curwen ins wohlverdiente Jenseits befördert, ist auf einem berühmten
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