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Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition)

Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition)

Titel: Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. P. Lovecraft
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Wegen seiner Zurückgezogenheit gab es allerlei merkwürdige Gerüchte über ihn. Mehr noch, seine Familie besaß einen Bungalow in Pawtuxet – wie später Ward. Vielleicht um der Familie nicht zu nahe zu treten, ändert Lovecraft die Anschrift in 100 Prospect Street, aber das gemeinte Haus ist eindeutig. W. L. Mauran – den Lovecraft persönlich nicht näher kennengelernt zu haben scheint – wurde später freilich völlig gesund und ein angesehener Arzt.
    Der Mauran-Familie verdanken wir die Kenntnis einer der skurrilsten Anspielungen Lovecrafts: Der Kapitän Manuel Arruda des spanischen Schiffes Fortaleza, welches Curwen 1770 eine grässliche Fracht liefert, trägt den Namen eines wohlbekannten Obsthändlers, der die Maurans (und natürlich auch Lovecraft und seine Tanten wenige Häuser von ihnen entfernt) 1928 als fahrender Händler belieferte! Was mag sich Lovecraft bei solchen kuriosen Affinitäten gedacht haben? Wahrscheinlich tritt hier schlicht sozusagen das schiere Vergnügen an »Anspielungen« über alle Ufer. Dagegen finde ich den literarischen Einfluss von Walter de la Mares Roman The Return (1910) auf ›Charles Dexter Ward‹, den S. T. Joshi so betont, nicht sehr weiterführend. Ein weiterer Text, der die Figur des Joseph Curwen ohne Frage beeinflusst hat, ist jedoch Charles M. Skinners Myths and Legends of Our Own Land, Philadelphia und London 1896 (2 Bände, hier Band 1, 296–298). Skinner erzählt die Lokalsage von einem Alchemisten im Salem der Zeit um 1720, der ein dämonisches Experiment zur Verlängerung des Lebens ausführt und ein böses Ende nimmt. Viele Details erinnern sehr stark an ›The Case of Charles Dexter Ward‹. Lovecraft benutzt Skinners feines Werk über amerikanische Regionalsagen auch sehr ausführlich in ›The Dunwich Horror‹, wo er ihn über einige Passagen praktisch wörtlich ausschreibt.
    Joseph Curwen flieht als junger Mann aus Salem Village (dem heutigen Danvers), wo man ihn mit seinem Genossen George Burroughs in einen satanistischen Coven aufgenommen hatte. Das ist natürlich der ganze reale Reverend George Burroughs, der 1680–1682 Pfarrer in Salem Village und später in Maine gewesen war. Am 19. August 1692 wurde er als männliche Hexe gehängt (im Gegensatz zu den populären Vorstellungen über Hexenprozesse gehörten Geistliche – auch in Deutschland – recht häufig zu den Opfern, vor allem, wenn sie unbeliebt waren und merkwürdige Hobbys hatten).
    Der Platz von Curwens Anwesen am unteren Ende der Olney Street in Providence, nördlich vom Anwesen des Gregory Dexter, kann auf alten Plänen der Stadt leicht ausgemacht werden. Gregory Dexters Grundstück ist auf einem Plan von 1650 in meinem Besitz tatsächlich eingezeichnet. Andere Familiennamen auf dieser Karte (die Lovecraft kannte), welche in ›Charles Dexter Ward‹ und sonst Verwendung finden, sind Fenner, Tillinghast, Browne, Harris, Olney, Sears u. a. Diese Anspielungen haben allenfalls Lovecrafts Freunde im Blick; für ein breiteres Publikum schreibt er nur sozusagen zufällig.
    Die Beschwörung des toten Joseph Curwen ist in Wahrheit eine Beschwörung der Vergangenheit von Providence bzw. (wie an der Biografie von Charles Ward ja deutlich wird) deren letzte Konsequenz. Wie oft bei Lovecraft, geht es bei dieser Beschwörung der Geschichte nicht um das absolute (für europäische Ohren ja nie besonders eindrückliche) Alter, sondern um die Kontinuität, die dem jungen Ward, aber auch Lovecraft selbst ihre Heimat geben. Das Nahe, das Vertraute, die Straßen und Plätze von Lovecrafts Kindheit, werden zum Einfalltor für etwas Fremdes, Böses, Bedrohliches, welches also nicht nur die Person selbst, sondern ihre Identität bedroht. Wie in fast allen Erzählungen Lovecrafts liegt die Verwendung autobiografischer Elemente auf der Hand. Diesen verdankt ›Charles Dexter Ward‹ vor allem den warmen, herzlichen und poetischen Tonfall, in dem Providence geschildert wird: »Auf diesem Platz blieb er immer stehen, um die verwirrende Schönheit der Altstadt in sich aufzunehmen, die die ostwärts gelegene Steilküste hinaufklettert, durchsetzt mit georgianischen Türmchen und gekrönt vom gewaltigen, neuen Christian-Science-Dom, wie London von der Paulskathedrale.« Es ist Lovecrafts eigene Jugenderinnerung, die hier spricht, ohne Frage. Wie Charles Dexter war der »gesellschaftliche Umgang« des jungen Lovecraft »recht begrenzt«, und beide haben kein College besucht.
    Insgesamt lebt Charles Dexter Ward

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