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Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition)

Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition)

Titel: Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. P. Lovecraft
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Jahre nach seinem Tod in Weird Tales Mai und Juli 1941 geschehen ist, und zwar in einer durch die Herausgeberin Dorothy McIlwraith stark gekürzten Fassung. Spätere Ausgaben haben dann den Originaltext wiederhergestellt.
    Als Titel hatte Lovecraft zeitweise »The Madness Out of Time« erwogen, dann aber den prosaischeren Titel bevorzugt, unter dem der Text bis heute erscheint. Im Gegensatz zu der unheimlichen Fantasy-Novelle ›The Dream-Quest of Unknown Kadath‹ ist dies dem Genre nach fast ein historischer Roman, der auf zwei Zeitebenen spielt, in der unmittelbaren (zeitlichen, aber auch räumlichen) Gegenwart Lovecrafts und im 18. Jahrhundert. Ich erlaube mir, ›The Case of Charles Dexter War‹ für einen der nachhaltig befriedigendsten und bemerkenswertesten Texte unseres Autors zu halten.
    Dazu trägt nun namentlich die reiche Intertextualität, die ständige Verwobenheit der Novelle mit Lovecrafts eigener Biografie, mit der Geschichte und Topografie von Rhode Island, mit anderen Erzählungen des Autors, überhaupt mit amerikanischer Geschichte bei. ›The Case of Charles Dexter Ward‹ ist sehr entschieden ein Stück »Americana«, Amerika-Literatur, und wird als solches auch im akademischen Rahmen zunehmend gewürdigt, wie eine große Zahl an Publikationen zum Text beweist. Man hat gesagt, der eigentliche Protagonist, der eigentliche »Charakter« des Buches sei nicht Charles Ward, sondern die Stadt Providence (so der bedeutende Lovecraft-Forscher Barton L. St. Armand), und das ist in vieler Hinsicht zutreffend.
    Dennoch ist das Folgende eben auch eine effektive historische Horrorstory. Worauf beruht dieser »Effekt«, die weniger (wie bei vielen modernen Texten des Genres) »verstörende«, dafür aber umso nachhaltigere Wirkung der Novelle? Ich möchte dies auf die Formel einer gelungenen Kombination von Präzision und Suggestion bringen. Lovecraft selbst nennt in einem Brief als wesentliches ästhetisches Ausdrucksmedium die Präzision: Er verstehe sich als Schriftsteller als »Prosa-Realist, dessen primäres Anliegen der Aufbau einer Atmosphäre in der langsamen Methode des ›Fußgängers‹ ist, durch vielfaches suggestives Detail und eine düstere wissenschaftliche Wahrhaftigkeit. Was immer ich produziere, muss das dunkle Resultat einer tödlich ernsthaften Seriosität & eines geradezu pedantischen Vorgehens sein. Die ›Kunstatmosphäre‹ halte ich von meinen besseren Sachen fern – tatsächlich findet sich bei mir eine unpersönliche, humorlose, vielmehr ganz genau berichtende Qualität. Ich muss einen Gegenstand oder eine Szene präzise sehen, mit scharf-gestochener visueller Genauigkeit, bevor ich irgendetwas dazu schreiben kann – und dann beschreibe ich ihn wie ein Entomologe ein Insekt beschreiben würde. Prosa-Realismus steckt hinter allem von einiger Bedeutung, was ich verfasse – eine verdammt merkwürdige Eigenschaft, wenn man einmal darüber nachdenkt, um in Verbindung mit einer Vorliebe für Fantasie und Vision zu existieren! Aber ich bin hierin selbst paradox – denn es gab lange Zeiten, da waren mir Astronomie, Geografie, Physik, Chemie & Anthropologie wichtiger als jede Form reiner Literatur oder Ästhetik« (Brief an Clark Ashton Smith vom 19. Dezember 1929).
    Das hübsche an diesem Selbstbild des Schriftstellers Lovecraft ist, dass es in offensichtlicher Weise so durchaus unzutreffend ist. Das Bemühen um absolute Präzision und Korrektheit des historischen Details ist ganz richtig hervorgehoben, aber bei aller Seriosität ist ›The Case of Charles Dexter Ward‹ offenkundig mit augenzwinkerndem Vergnügen und tiefer emotionaler Bewegtheit geschrieben. Beides wird der Leser vielleicht nicht beim ersten Lesen bemerken, aber es ist da, wie im Folgenden noch deutlicher werden wird.
    Wir können in der Analyse des Stils aber noch weiterkommen. Wie oft ist Lovecrafts Erzählperspektive die des allwissenden, aber sich gegen seine eigene Einsicht in das Schreckliche des Geschehens sträubenden Erzählers. Eine solche komplexe und ambivalente Erzählperspektive durch einen längeren Text durchzuhalten, ist extrem schwierig; tatsächlich kenne ich unter den gegenwärtigen Horrorautoren niemand, der es mit Erfolg zuwege gebracht hätte. Man hat daher das merkwürdige Gefühl, dass das Ende zwar den Erzähler, aber nicht eigentlich den Leser überrascht. Das ist ein ganz eigentümlicher Effekt, den Lovecraft noch mehrfach angewendet hat.
    Suggestiv ist ›The Case of Charles Dexter

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