Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition)
Mrs. Eliza Curwen, Witwe des Joseph Curwen, gemeinsam mit ihrer siebenjährigen Tochter Ann ihren Mädchennamen Tillinghast wieder angenommen, und zwar weil »der Nam’ ihres Ehegespons zu einem öffentlich Schandmal geworden, dessenthalben, was nach seinem Ableben öffentlich geworden und ein uralt weitverbreitet Gerücht bestätigt, dem ein treues Eheweib indeß keinen Glauben schenken wollt, ehe ihr’s ohne jeden Zweifel bewiesen ward.«
Diesen Eintrag entdeckte er, als er zufällig zwei Seiten voneinander löste, die man sorgfältig zusammengeklebt hatte und die durch eine mühselige Neunummerierung als ein Blatt behandelt worden waren.
Charles Ward wurde sogleich klar, dass er tatsächlich einen bislang unbekannten Urururgroßvater entdeckt hatte. Diese Entdeckung löste heftige Aufregung in ihm aus, da er schon früher schleierhafte Berichte über Curwen gehört und vereinzelte Andeutungen gesehen hatte. Über diesen Mann hatten sich nur sehr wenige Berichte erhalten – abgesehen von denen, die erst in jüngster Zeit der Öffentlichkeit zugänglich wurden –, sodass man fast den Eindruck gewann, man habe sich damals verschworen, um ihn aus der Erinnerung zu tilgen. Was darüber hinaus zum Vorschein kam, war derart eigenartig und provokant, dass man gar nicht anders konnte, als sich neugierig auszumalen, was denn die Chronisten der Kolonialzeit so unbedingt verheimlichen und vergessen wollten. Der Verdacht lag nahe, dass sie für dieses Vorgehen wirklich triftige Gründe gehabt hatten.
Bis zu dieser Entdeckung hatte Ward sich in romantischer Vorstellung damit begnügt, sich den alten Joseph Curwen im Ruhestand vorzustellen. Doch jetzt, da er seine eigene Abstammung von dieser anscheinend ›vertuschten‹ Person entdeckt hatte, machte er sich daran, so systematisch wie nur möglich nach allem zu suchen, was mit Curwen in Zusammenhang stehen mochte.
Diese aufgeregte Suche führte ihn schließlich zu einem Erfolg, der seine kühnsten Erwartungen übertraf. Die alten Briefe, Tagebücher und Bündel von unveröffentlichten Erinnerungen aus Dachkammern voller Spinnweben in Providence und andernorts brachten viele erhellende Passagen zutage, die ihre Verfasser nicht der Vernichtung wert befunden hatten. Ein wichtiger Hinweis kam aus dem fernen New York, wo einige kolonialzeitliche Briefwechsel aus Providence im Fraunces Tavern Museum aufbewahrt wurden. Wirklich wesentlich allerdings wurde das, was nach Ansicht von Dr. Willett mit Bestimmtheit den Anstoß zu Wards Verderben lieferte und im August 1919 hinter der Wandvertäfelung des baufälligen Hauses in Olney Court entdeckt wurde. Dies war es, ohne Zweifel, was die schwarzen Abgründe öffnete, die bodenloser waren als jeder Bergwerksschacht.
Zweites Kapitel: Eine Vorgeschichte und ein Grauen
1
Joseph Curwen, so stellten es die weitschweifigen Legenden dar, die Ward hörte und aufspürte, war ein ebenso erstaunlich rätselhafter wie abscheulicher Mensch gewesen. Er war zu Beginn der großen Hexenpanik aus Salem nach Providence geflohen – die Zufluchtsstätte so vieler Egozentriker, Atheisten und Andersdenkenden –, da er eine Anklage wegen seiner eigenbrötlerischen Art und seiner merkwürdigen chemischen oder alchemistischen Experimente fürchtete. Er war ein durchschnittlich wirkender Mann von ungefähr dreißig Jahren, der bald als freier Bürger von der Stadt Providence aufgenommen wurde. Kurz darauf kaufte er ein Grundstück nördlich des Anwesens von Gregory Dexter, ungefähr am unteren Beginn der Olney Street. Sein Haus baute er sich auf Stampers Hill westlich der Town Street, in der Gegend, die später Olney Court genannt wurde. 1761 ersetzte er das Haus an derselben Stelle durch ein größeres, das heute noch steht.
Die erste Merkwürdigkeit, die an Joseph Curwen auffiel, war, dass er seit seiner Ankunft nicht mehr wesentlich zu altern schien. Er betätigte sich im Schiffshandel, kaufte Kaianlagen in der Nähe der Bucht von Mile-End, half 1713 beim Wiederaufbau der Großen Brücke und 1723 gehörte er zu den Gründern der Congregational Church auf dem Hügel, doch die ganze Zeit über behielt er das unauffällige Aussehen eines Mannes im Alter von etwa 30 bis 35 Jahren. Während die Jahrzehnte eines nach dem anderen verstrichen, erregte diese einzigartige Eigenheit erhebliches Aufsehen, doch Curwen erklärte es immer mit seinen robusten Vorfahren und seiner einfachen Lebensführung, die ihn nicht erschöpfe.
Wie diese Einfachheit mit dem
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