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Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition)

Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition)

Titel: Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. P. Lovecraft
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mondbeschienene South Street – mit ihrem seewärtigen Ausblick – erneut zu überqueren, und nervös musste ich mir selbst Mut zusprechen. Man konnte mich dort leicht entdecken, und mögliche Nachzügler auf der Eliot Street würden mich von einem der beiden Punkte aus mit Sicherheit sehen. Im letzten Moment beschloss ich, dass ich mein Schritttempo besser verlangsamen und die Straße wie zuvor im watschelnden Gang eines durchschnittlichen Einwohners von Innsmouth überqueren sollte.
    Als sich wieder der Blick aufs Wasser öffnete – dieses Mal zu meiner Rechten –, war ich halbwegs entschlossen, ihm keine Aufmerksamkeit zu schenken. Ich konnte jedoch nicht widerstehen und warf einen Seitenblick aufs Meer, als ich vorsichtig und im nachgeahmten Watschelgang auf den schützenden Schatten vor mir zuging. Kein Schiff war zu sehen, obwohl ich eines erwartet hatte. Stattdessen erblickte ich als Erstes ein kleines Ruderboot, das sich dem verlassenen Kai näherte und mit einem wuchtigen, von einer Plane verdeckten Gegenstand beladen war. Die Ruderer, die ich indes nur entfernt und undeutlich sah, waren von besonders abstoßendem Aussehen. Mehrere Schwimmer waren noch erkennbar, derweil ich auf dem fernen schwarzen Riff ein fahles, stetes Leuchten, ungleich dem blinkenden Signalfeuer zuvor, sah, das von einer eigenartigen Farbe war, die ich nicht genau bestimmen konnte. Oberhalb der schiefen Dächer über mir und zu meiner Rechten dräute das hohe Kuppeldach des Gilman House, doch dort war es völlig finster. Der Fischgeruch, der einen Augenblick lang durch eine gnädige Brise verweht worden war, brach nun wieder mit irremachender Stärke über mich herein.
    Ich hatte die Straße noch nicht ganz überquert, da hörte ich, wie eine murmelnde Meute sich von Norden her auf der Washington Street näherte. Als sie die breite offene Stelle erreichten, wo ich den ersten beunruhigenden Blick auf das mondbeschienene Wasser erhascht hatte, konnte ich sehen, dass sie nur noch einen Häuserblock weit entfernt waren – und ich erschrak zu Tode über die bestialischen Missbildungen ihrer Gesichter und die hundeähnliche Untermenschlichkeit ihres geduckten Gangs. Ein Mann bewegte sich wirklich wie ein Affe, und seine langen Arme berührten regelmäßig den Boden, derweil eine andere Gestalt – ausgestattet mit Robe und Tiara – sich in einer fast hüpfenden Weise fortzubewegen schien. Ich glaubte, diese Gruppe sei jene, die ich im Hof des Gilman gesehen hatte – daher auch diejenige, die mir am dichtesten auf der Spur war. Als ein paar der Gestalten ihren Blick in meine Richtung wandten, erstarrte ich fast vor Angst, ich konnte jedoch den lässigen Watschelgang beibehalten, den ich angenommen hatte. Bis zum heutigen Tage weiß ich nicht, ob sie mich nun sahen oder nicht. Falls ja, dann musste meine List sie getäuscht haben, denn sie schritten weiter über den mondhellen Platz, ohne ihren Weg zu ändern – derweil sie in einer scheußlich gutturalen Mundart quäkten und nuschelten, die ich nicht bestimmen konnte.
    Als ich mich wieder im Schatten befand, nahm ich meinen früheren Hundetrott wieder auf und schlich vorbei an den sich neigenden und baufälligen Häusern, die mit leeren Augen in die Nacht starrten. Nachdem ich auf den westlichen Bürgersteig gelangt war, bog ich um die nächste Ecke in die Bates Street ein, wo ich mich eng an den Gebäuden auf der südlichen Seite hielt. Ich passierte zwei Häuser, die Anzeichen der Bewohnung aufwiesen – in einem Obergeschoss war schwaches Licht zu sehen –, doch ich traf auf keine Hindernisse. Als ich in die Adams Street einbog, fühlte ich mich schon erheblich sicherer, bis ich erschreckt zurückprallte, weil ein Mann unmittelbar vor mir aus einer schwarzen Türöffnung wankte. Er war allerdings hoffnungslos betrunken, wie ich sofort bemerkte, und stellte keine Gefahr dar. So vermochte ich unbehelligt die trüben Ruinen der Lagerhäuser in der Bank Street zu erreichen.
    Nichts regte sich in jener toten Straße am Flussufer und das Brüllen der Wasserfälle übertönte meine Schritte. Es war ein langer Hundetrott zu dem verfallenen Bahnhof und die hohen Ziegelwände der Lagerhäuser um mich herum schienen irgendwie bedrohlicher als die Fassaden der Privathäuser zu sein. Endlich sah ich den uralten, mit Säulen versehenen Bahnhof – oder was von ihm übrig war – und bewegte mich geradewegs auf die Gleise zu, die am gegenüberliegenden Ende begannen.
    Die Trassen waren rostig,

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