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Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition)

Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition)

Titel: Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. P. Lovecraft
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aber größtenteils intakt, und nicht mehr als die Hälfte der Schwellen war verrottet. Auf einer solchen Oberfläche zu laufen oder zu rennen war sehr schwierig; doch ich gab mein Bestes und kam recht gut voran. Eine Weile hielten sich die Gleise am Rand des Flusstales, doch endlich erreichte ich die lange überdachte Brücke, die den Abgrund in schwindelnder Höhe überquerte. Der Zustand dieser Brücke war für meinen nächsten Schritt entscheidend. War es irgend möglich, so würde ich sie benützen; wenn nicht, so würde ich das Wagnis weiterer Straßenwanderung eingehen und die nächste intakte Straßenbrücke nehmen müssen.
    Die gewaltige, scheunenartige alte Brücke schimmerte gespenstisch im Mondlicht, und ich sah, dass die Schwellen in ihrem lang gestreckten Inneren zumindest einige Meter weit sicher waren. Als ich eintrat, machte ich von meiner Taschenlampe Gebrauch und wurde fast von einer Wolke von Fledermäusen umgeworfen, die an mir vorüberflatterten. Ungefähr in der Mitte des Weges befand sich eine gefährliche Lücke in den Schwellen, die, so befürchtete ich einen Moment lang, meinem Vorankommen ein Ende setzen würde; doch schließlich riskierte ich einen verzweifelten Sprung, der mir glücklicherweise gelang.
    Ich freute mich, wieder das Mondlicht zu sehen, als ich aus diesem makabren Tunnel herauskam. Die alte Trasse kreuzte die River Street auf gleicher Ebene und schwenkte dann sogleich in ein Gebiet ab, das immer ländlicher wurde und immer weniger von dem abstoßenden Innsmouther Fischgeruch aufwies. Hier behinderte mich das dicht wuchernde Unkraut und Gestrüpp und riss an meinen Kleidern, dennoch war ich froh über ihr Vorhandensein, da sie mir im Falle der Gefahr ein Versteck bieten mochten. Ich wusste, dass ein Großteil meines Fluchtweges von der Straße nach Rowley aus sichtbar sein musste.
    Das Sumpfgebiet nahm bald seinen Anfang, und die einzelne Trasse verlief über einen niedrigen grasüberwachsenen Damm, auf dem das Unkraut weniger dicht wucherte. Dann folgte eine erhöht liegende Insel, wo das Gleis durch einen seichten, offenen Durchlass verlief, der von Büschen und Dornsträuchern überwuchert war. Ich war über diesen kümmerlichen Schutz sehr froh, denn mein Blick aus dem Hotelfenster hatte mir gezeigt, dass sich an dieser Stelle die Straße nach Rowley in unliebsamer Nähe befand. Am Ende des Durchgangs kreuzte sie das Bahngleis und bog dann in sichere Entfernung ab; doch in der Zwischenzeit musste ich überaus vorsichtig sein. Zu diesem Zeitpunkt war ich mir voller Dankbarkeit sicher, dass das Gleis selbst nicht überwacht wurde.
    Kurz bevor ich den Durchgang betrat, warf ich einen Blick hinter mich, sah aber keine Verfolger. Die alten Kirchtürme und Dächer des verfallenden Innsmouth schimmerten liebreizend und unwirklich im magischen gelben Mondlicht, und ich dachte daran, wie es wohl früher ausgesehen haben mochte, ehe der Schatten sich herniedergesenkt hatte. Als ich meinen Blick dann von der Stadt in Richtung Inland schweifen ließ, erregte etwas weniger Friedliches meine Aufmerksamkeit und ließ mich eine Sekunde lang erstarren.
    Was ich sah – oder zu sehen glaubte –, war die verstörende Andeutung von wellenförmiger Bewegung weit im Süden; eine Andeutung, die mich zu dem Schluss gelangen ließ, eine sehr große Meute müsse sich aus der Stadt über die ebenmäßige Straße nach Ipswich ergießen. Die Entfernung war groß und ich konnte keine Einzelheiten erkennen; doch ich mochte den Anblick dieser vorwärtsstrebenden Kolonne ganz und gar nicht. Sie wogte zu sehr und schimmerte zu hell in den Strahlen des nun westwärts ziehenden Mondes. Ich meinte, leise Geräusche zu hören, obwohl der Wind aus der entgegengesetzten Richtung wehte – eine Andeutung raubtierartigen Krächzens und Brüllens, das noch schlimmer war als das Gemurmel der Gruppen, die ich zuvor belauscht hatte.
    Alle möglichen unangenehmen Mutmaßungen kamen mir in den Sinn. Ich dachte an jene äußerst extremen Innsmouth-Typen, die sich angeblich in verfallenden jahrhundertealten Labyrinthen nahe dem Ufer verborgen hielten. Ich dachte auch an die vielen Schwimmer, die ich gesehen hatte. Als ich die Anzahl der bislang gesehenen Suchtrupps und jene, die vermutlich andere Straßen überwachten, zusammenzählte, kam ich auf eine Anzahl von Verfolgern, die eigenartig groß sein musste für eine so entvölkerte Stadt wie Innsmouth.
    Woher kamen bloß die vielen Leute in solchen Kolonnen, wie ich

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