Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition)
zu sammeln und zugunsten der ernsthaften Forschung zu veröffentlichen. Ich machte mich an eine Reihe von Artikeln, die das gesamte Thema kurz umrissen, und illustrierte sie mit groben Skizzen von einigen der Schemen, Landschaften, Dekormotiven und Hieroglyphen, an die ich mich aus meinen Träumen erinnerte.
Diese Artikel erschienen 1928 und 1929 in verschiedenen Ausgaben des Journal of the American Psychological Society , konnten aber nicht viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen. In der Zwischenzeit fuhr ich fort, meine Träume mit äußerster Sorgfalt aufzuzeichnen, auch wenn der immer größer werdende Stapel an Berichten unmäßige Proportionen annahm.
Am 10. Juli 1934 wurde mir von der Psychologischen Gesellschaft ein Brief zugestellt, der den Gipfelpunkt und die schrecklichste Phase der ganzen wahnsinnigen Prüfung einleitete. Der Brief trug den Poststempel von Pilbarra in Westaustralien und stammte von einem Mann, der – wie ich auf Nachfrage herausfand – ein Bergwerksingenieur von Rang war. Dem Brief waren einige äußerst merkwürdige Schnappschüsse beigefügt. Ich werde den Text hier in voller Länge wiedergeben, und keinem Leser wird entgehen können, welch gewaltige Wirkung das Schreiben und die Fotografien auf mich ausübten.
Eine Zeit lang war ich wie betäubt, wollte es nicht glauben. Auch wenn ich oft geglaubt hatte, dass es irgendeine faktische Grundlage für gewisse Teile der Legenden geben musste, die meine Träume beeinflussten, so war ich doch gänzlich unvorbereitet auf einen greifbaren Beweis für eine verlorene Welt, die unvorstellbar alt ist. Am niederschmetterndsten fand ich die Fotografien – denn hier zeigten sich in kalter, unwiderlegbarer Wirklichkeitstreue vor sandigem Hintergrund abgenutzte, von Wasser und Wind gegerbte Steinblöcke, deren leicht nach außen gewölbten Oberflächen und leicht einwärts gewölbten Unterseiten ihre eigene Geschichte erzählten.
Und als ich die Bilder mit einer Lupe betrachtete, konnte ich inmitten der Abschürfungen und Korrosionen nur allzu deutlich die Spuren jener gewaltigen krummlinigen Muster und Hieroglyphen erkennen, deren Bedeutung für mich eine so scheußliche Dimension angenommen hatte. Doch hier nun der Brief, der für sich selbst spricht:
49 Dampier St.
Pilbarra, W.-Australien
18. Mai 1934.
Prof. N. W. Peaslee
c/o Am. Psychological Society
30 E. 41st St.
New York City, USA
Sehr geehrter Herr,
eine Unterhaltung mit Dr. E. M. Boyle aus Perth und einige Zeitschriften mit Ihren Artikeln, die er mir geschickt hat, ließen es mir ratsam erscheinen, Sie über gewisse Dinge zu unterrichten, die ich in der Großen Sandwüste östlich unserer hiesigen Goldminen gesehen habe. Im Lichte der von Ihnen beschriebenen eigenartigen Legenden über alte Städte aus gewaltigen Steinblöcken mit seltsamen Mustern und Hieroglyphen meine ich, dass ich auf etwas sehr Bedeutsames gestoßen bin.
Die Eingeborenen haben schon immer eine Menge über »große Steine mit Zeichen darauf« geredet, vor denen sie eine schreckliche Angst zu haben scheinen. Diese Steine stehen für sie in irgendeiner Verbindung mit den Legenden ihrer Vorfahren über Buddai, den riesigen alten Mann, der seit Urzeiten unter der Erde schläft, das Haupt auf den Arm gebettet, und eines Tages erwachen wird, um die Welt aufzufressen.
Es gibt einige sehr alte und schon halb vergessene Erzählungen über gewaltige unterirdische Hütten aus großen Steinen, wo Durchgänge immer tiefer abwärts führen und wo sich fürchterliche Dinge zugetragen haben sollen. Die Eingeborenen behaupten, nach einer Schlacht seien einst einige Krieger in einen dieser Durchgänge geflohen und nie zurückgekehrt, und bald nach ihrem Verschwinden seien schreckliche Winde aus den Gängen emporgeweht. In der Regel jedoch hat das, was diese Eingeborenen sagen, nicht viel Substanz.
Ich habe Ihnen allerdings noch mehr zu erzählen. Als ich vor zwei Jahren fünfhundert Meilen östlich in der Wüste Schürfproben machte, stieß ich auf eine Menge sonderbarer Bruchstücke aus behauenem Stein von vielleicht einem Meter mal sechzig Zentimeter Durchmesser, bis zum Äußersten verwittert und korrodiert.
Anfangs vermochte ich keines der von den Eingeborenen erwähnten Zeichen zu entdecken, doch als ich die Steine näher inspizierte, konnte ich trotz der Verwitterung ein paar tief eingeschnittene Linien erkennen. Da waren eigentümliche Kurven, ganz so, wie die Eingeborenen sie zu beschreiben versucht hatten. Ich
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