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Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition)

Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition)

Titel: Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. P. Lovecraft
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Benzinofens im eigens aufgestellten Laborzelt verlor das trügerisch flexible Gewebe des herangezogenen Exemplars – ein kräftiges und gut erhaltenes – nichts von seiner Zähigkeit, die jene von Leder übertraf. Lake war ratlos, wie er die nötigen Schnitte vornehmen sollte, ohne dabei so viel Gewalt anzuwenden, dass die anatomischen Feinheiten litten, die er freilegen wollte. Zwar verfügte er noch über sieben weitere vollständig erhaltene Exemplare; doch das waren zu wenige, um sie fahrlässig zu verschwenden, sofern nicht die Höhle bei späterer Gelegenheit einen unbegrenzen Vorrat davon preisgab. Also brachte er das betreffende Exemplar wieder hinaus und schaffte stattdessen eines herbei, das, wenn es auch Überreste der Seestern-Gebilde an beiden Enden aufwies, übel zerquetscht und entlang einer der großen Rumpffurchen teilweise aufgerissen war.
    Die Sektionsbefunde, die uns schleunigst zugefunkt wurden, waren dann allerdings verblüffend und erregend. So etwas wie Feinarbeit oder Präzision war unmöglich mit Instrumenten, die sich kaum fähig zeigten, das abnormale Gewebe zu durchtrennen, doch das wenige, das dabei herauskam, versetzte uns in bestürztes Staunen. Die biologische Wissenschaft auf ihrem aktuellen Stand musste völlig neu bewertet werden, denn dieses Ding war aus keiner der Forschung bekannten Form des Zellwachstums hervorgegangen. Eine Mineralisierung hatte kaum stattgefunden und trotz eines Alters von vielleicht 40 Millionen Jahren waren die inneren Organe vollkommen intakt. Diese lederartige, jeglichem Verfall trotzende und beinahe unzerstörbare Beschaffenheit war eine grundlegende Eigenschaft der Organisationsform dieses Wesens und verwies auf einen Evolutionszyklus der Klasse der Wirbellosen im Paläogen, der unseren Vorstellungshorizont bei Weitem überstieg. Anfangs fand Lake nur trockene Innereien, doch als die auftauende Wirkung der Wärme im Zelt einsetzte, trat an der unverletzten Seite des Dinges ein organisches Sekret auf, das einen beißenden, widerwärtigen Geruch verströmte. Es war kein Blut, sondern eine zähe, dunkelgrüne Flüssigkeit, die offenbar dessen Aufgaben besaß. Als Lake mit seiner Arbeit so weit gekommen war, sperrte man alle 37 Hunde in den noch immer unfertigen Verhau, wo sie sogar in dieser Entfernung wütend bellten und tobten, als der scharfe Gestank sich ausbreitete.
    Die provisorische Sektion ergab keine Hinweise auf irgendeine Einordnung des seltsamen Wesens, ganz im Gegenteil, sie ließ seine Natur nur noch rätselhafter erscheinen. Alle Vermutungen über die äußeren Gliedmaßen erwiesen sich als zutreffend, und aufgrund dessen konnte man nicht länger daran zweifeln, es mit einer tierischen Lebensform zu tun zu haben; doch wies sein Körperinneres so viele pflanzliche Merkmale auf, dass Lake mit seiner Weisheit am Ende war. Das Geschöpf besaß einen Blutkreislauf, eine Verdauung und eine Ausscheidung, die über die rötlichen Röhren seines seesternförmigen Fußendes erfolgte. Der erste Augenschein ließ vermuten, dass sein Atmungsapparat eher Sauerstoff als Kohlendioxid umsetzte; und es gab eigentümliche Hinweise auf Luftkammern und das Vermögen, die Luftaufnahme von der äußeren Körperöffnung auf mindestens zwei weitere voll ausgebildete Atmungssysteme umzustellen – Kiemen und Poren. Offenbar war es amphibisch und darüber hinaus wahrscheinlich angepasst an lange, luftlose Überbrückungszeiträume. Vorhandene Sprechorgane schienen mit den Hauptatmungsvorrichtungen in Verbindung zu stehen, doch wiesen sie Anomalien auf, die sich nicht unmittelbar erklären ließen. Artikuliertes Sprechen im Sinne von Silbenformung schien auf diese Art kaum vorstellbar, doch kreative Pfeiflaute mit großem Tonumfang ließen sich mit hoher Wahrscheinlichkeit erzeugen. Diese Muskulatur war geradezu überentwickelt.
    Das Nervensystem war derartig komplex und hoch entwickelt, dass es Lake förmlich die Sprache verschlug. Obwohl in mancher Hinsicht außerordentlich primitiv und urtümlich, verfügte das Ding über ein Arsenal von Gangliengeflechten und Nervensträngen, das auf eine unendlich fortgeschrittene Spezialisierung hindeutete. Sein fünflappiges Gehirn war überraschend hoch entwickelt, und es gab Hinweise auf Organe zum Empfang äußerer Sinneseindrücke, die zum Teil über die drahtigen Wimpern am Kopf aufgenommen wurden, wobei Aspekte mitwirkten, die allen übrigen irdischen Organismen fremd sind. Vermutlich besaß das Geschöpf mehr als fünf

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