Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition)
immens gewesen sein, sodass vom Erdkern abstrahlende Hitze seine Bewohnbarkeit für unabsehbare Zeit gewährleistete. Die Wesen schienen keine Schwierigkeiten damit gehabt zu haben, sich erst einem zeitweiligen – und später natürlich permanenten – Leben unter Wasser anzupassen, denn ihre Kiemenatmung war nie verkümmert. Auf vielen Reliefs sahen wir dargestellt, wie sie immer wieder ihre auf dem Meeresboden lebenden Artgenossen in anderen Gegenden besuchten und oft auf dem Grund ihres tiefen Flusses getaucht waren. Auch die unterirdische Finsternis konnte schwerlich abschreckend auf eine Rasse wirken, die an lange antarktische Nächte gewöhnt war.
Selbst wenn die Kunstfertigkeit ihrer Ausarbeitung ganz fraglos nachließen, so bewiesen diese jüngsten Reliefdarstellungen, die von der Erbauung der neuen Stadt im Höhlenozean erzählten, doch immer noch eine wahrlich epische Qualität. Die Großen Alten waren die Aufgabe wissenschaftlich angegangen – hatten Felsen aus dem Herzen der ausgehöhlten Berge herausgebrochen und Spezialisten aus der nächstgelegenen Meeresstadt herbeigerufen, damit diese das Bauvorhaben bestmöglich ausführten. Diese Arbeiter waren mit allem Nötigen ausgerüstet gewesen, um das Unternehmen erfolgreich durchzuführen – dazu gehörten Schoggothen-Gewebe, aus dem sich erst Geschöpfe zum Heben der Steine und später Lasttiere für die Höhlenstadt züchten ließen, und andere protoplasmatische Stoffe zur Erschaffung phosphoreszierender Organismen zur Beleuchtung.
Schließlich erhob sich auf dem Grunde des stygischen Ozeans eine mächtige Metropole, deren Architektur sehr jener der oberirdischen Stadt glich. Die neu gezüchteten Schoggothen wuchsen enorm groß und entwickelten eine einzigartige Intelligenz; Anweisungen verstanden sie ebenso außerordentlich schnell wie sie sie umsetzten. Sie schienen sich mit den Großen Alten zu verständigen, indem sie deren Stimmen nachahmten – eine Art melodischen Pfeifens von großem Tonumfang, falls der beklagenswerte Lake aus der Obduktion korrekte Schlussfolgerungen gezogen hat –, und arbeiteten mehr aufgrund mitgeteilter Befehle als aufgrund hypnotischer Führung wie in früheren Zeiten. Dennoch hielt man sie bewundernswert unter Kontrolle. Die phosphoreszierenden Organismen erwiesen sich als sehr geeignete Lichtspender und entschädigten zweifellos hinreichend für den Verlust des altvertrauten Polarlichts der oberen Welt.
Kunst und Mauerschmuck wurden weitergeführt, allerdings mit gewissen Ermüdungserscheinungen. Die Großen Alten schienen sich ihres Niedergangs bewusst zu sein und nahmen in vielen Fällen die Handlungsweise von Konstantin dem Großen vorweg, indem sie besonders schöne alte Reliefblöcke aus ihrer oberen Stadt hinabschafften, ganz so wie der Kaiser in einem vergleichbaren Zeitalter des Verfalls Griechenland und Asien ihrer kostbarsten Kunstwerke beraubte, um seiner neuen byzantinischen Hauptstadt größere Pracht zu verliehen als sein eigenes Volk sie erschaffen konnte. Dass nicht noch mehr Reliefblöcke fortgeschafft wurden, lag fraglos daran, dass die alte Stadt zunächst noch nicht vollständig aufgegeben war. Zum Zeitpunkt ihrer definitiven Aufgabe – die muss sich im frühen polaren Pleistozän ereignet haben – hatten sich die Großen Alten vielleicht mit dem Nachlassen ihrer Kreativität abgefunden – oder ihnen war die Überlegenheit der früheren Steinmetzarbeiten einfach nicht aufgefallen. Auf jeden Fall gab es in den seit Äonen stummen Ruinen um uns herum noch Bildhauerarbeiten, obschon alle besseren frei stehenden Skulpturen und andere bewegliche Güter entfernt worden waren.
Die Rahmen und Friese, die diese Geschichte erzählten, waren wie bereits gesagt die jüngsten, die wir auf unserer eiligen Suche fanden. Sie hinterließen ein letztes Bild der Großen Alten, wie sie zwischen der Landstadt im Sommer und der Höhlenstadt unter Wasser im Winter hin- und herpendelten und zuweilen Handel mit den unterseeischen Städten vor der antarktischen Künste trieben. Zu diesem Zeitpunkt mussten sie den unwiderruflichen Untergang ihrer alten Stadt klar erkannt haben, denn zahlreiche Darstellungen zeigten die Auswirkungen der unbarmherzigen Kälte. Die Vegetation verkümmerte und die gewaltigen Schneemassen des Winters schmolzen sogar im Hochsommer nicht mehr vollständig ab. Die Dinosaurierherden waren nahezu ausgestorben und die Säugetiere kämpften hart ums Überleben. Um weiterhin oberhalb der
Weitere Kostenlose Bücher