Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition)

Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition)

Titel: Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. P. Lovecraft
Vom Netzwerk:
wussten wir nicht zu sagen, was denn mit der bis dahin kristallreinen Luft nicht stimmte, doch schon nach wenigen Sekunden brach die Erinnerung mit Gewalt über uns herein. Ich will es ohne Umschweife aussprechen: Wir rochen vage, flüchtig und doch unmissverständlich den selben Geruch, der uns beim Öffnen des wahnwitzigen Grabes jenes Ungetüms, das der bedauernswerte Lake seziert hatte, entgegengeschlagen war.
    Natürlich war die Enthüllung zu jenem Zeitpunkt nicht sofort so eindeutig wie es jetzt klingt. Es gab mehrere mögliche Erklärungen, und eine ganze Weile flüsterten wir unentschlossen miteinander. Fest stand, dass wir uns nicht ohne weitere Erkundung zurückziehen würden; nachdem wir nun schon so weit gekommen waren, ließen wir uns von nichts zur Umkehr bewegen, außer durch eine drohende Katastrophe. Dennoch, der Verdacht, der sich uns aufdrängte, war einfach zu gewagt, um ihn glauben zu können. Derartige Dinge geschahen nicht in einer normalen Welt. Vermutlich war es reiner Instinkt, der uns veranlasste, den Schein der brennenden Taschenlampe abzuschirmen – die düsteren Reliefs, die bedrohlich von den beklemmenden Wänden herabstarrten, lockten uns nicht länger –, und uns nun behutsam auf Zehenspitzen über den zunehmend von Trümmern bedeckten Boden und die Schuttberge dahinschleichen und vorankriechen ließ.
    Danforth besaß nicht nur eine bessere Nase als ich, sondern auch schärfere Augen, denn wieder war er es, dem zuerst die merkwürdige Anordnung der Trümmer auffiel, nachdem wir zahlreiche halb verschüttete Torbögen durchschritten hatten, die zu Räumen und Korridoren im Erdgeschoss führten. Die Trümmer lagen nicht ganz so wie sie nach zahllosen Jahrtausenden der Verlassenheit hätten liegen sollen. Als wir zögerlich den vollen Lichtstrahl der Lampe auf sie richteten, sah es aus, als habe sich erst kürzlich etwas eine Schneise hindurchgebahnt. Wegen der wirren Anhäufung des Gerölls gab es keine deutlichen Spuren, doch an einigen glatten Stellen sah es aus, als seien dort schwere Gegenstände entlanggeschleift worden.
    Als wir glaubten, parallel verlaufende Spuren wie von Kufen zu erkennen, blieben wir wieder stehen – und in diesem Moment rochen wir beide zugleich den Geruch, der von vorn heranwehte. Verrückterweise war der Geruch nicht schlimm und doch absolut entsetzlich; nicht schlimm an sich, aber unendlich entsetzlich an diesem Ort und unter diesen Umständen – falls, natürlich Gedney … Denn wir rochen die wohlvertraute Ausdünstung von gewöhnlichem Mineralöl – ganz alltäglichem Benzin.
    Unsere nun folgenden Aktivitäten zu analysieren, überlasse ich den Psychologen. Wir wussten nun, dass sich irgendeine grauenvolle Ausweitung der Schrecken aus dem Lager in dieses nachtschwarze Grab der Äonen hinabgeschlichen hatte und konnten daher nicht länger leugnen, dass sich vor uns etwas Unheimliches zutrug – oder erst kürzlich zugetragen hatte. Und dennoch ließen wir uns von brennender Neugier … oder Angst … oder Selbsthypnose … oder vagen Gedanken an eine Verantwortung gegenüber Gedney … oder was auch immer … vorantreiben.
    Danforth flüsterte abermals von dem Abdruck, den er an der Wegbiegung in den Ruinen über uns gesehen zu haben glaubte, und von dem leisen melodischen Pfeifen, das er wenig später aus unbekannten unterirdischen Tiefen heraus vernommen hatte – möglicherweise war dieses Pfeifen im Lichte von Lakes Untersuchungen von großer Bedeutung, obwohl es ähnlich klang wie die Echos des heulenden Windes in den Höhleneingängen der Berggipfel.
    Ich wiederum flüsterte davon, in welchem Zustand wir das Lager vorgefunden hatten – von dem, was fehlte und wie der Wahnsinn eines einsamen Überlebenden das Unvorstellbare vollbracht haben könnte – und von einer halsbrecherischen Wanderung über die monströsen Berge und einen Abstieg in die unbekannten, vorzeitlichen Gemäuer …
    Doch wir glaubten weder einander, noch uns selbst.
    Während wir erstarrt dastanden, hatten wir beide Lampen ausgeschaltet und bemerkt, dass von oben ein Streifen abgedämpften Tageslichts die Dunkelheit aufhellte. Automatisch setzten wir uns wieder in Bewegung, leuchteten uns durch gelegentliches Aufflammenlassen einer der Taschenlampen voran. Der durcheinandergewühlte Schutt weckte eine Befürchtung in uns, die wir nicht abzuschütteln vermochten, und der Benzingeruch nahm zu. Immer mehr Steinbrocken behinderten uns; der Weg konnte nicht mehr lange frei sein

Weitere Kostenlose Bücher