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Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition)

Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition)

Titel: Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. P. Lovecraft
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die abstoßenden, formlosen Kreaturen in ihnen, die sich vielleicht sogar bis hinauf zu den höchsten Gipfeln einen stinkenden, gewundenen Weg ausgehöhlt hatten, konnten wir es nicht ohne einen Anflug von Panik erwarten, so schnell wie möglich wieder an diesen zum Himmel weisenden Höhlenmäulern vorbeizufliegen, denen der Wind Geräusche entlockte, die wie ein böses melodisches Pfeifen klangen. Und als wäre dies noch nicht schlimm genug, sahen wir deutlich über mehrere Gipfel aufsteigende Nebel – so wie sie auch der unglückliche Lake beobachtet haben muss und daraus den Trugschluss vulkanischer Tätigkeit zog. Wir dachten schaudernd an den ähnlichen Nebel, dem wir gerade erst entronnen waren, und an den Schrecken hütenden blasphemischen Erdschlund, aus dem alle diese Dämpfe aufstiegen.
    Mit dem Flugzeug war alles in Ordnung und wir schlüpften durchgefroren in unsere dicken Piloten-Pelzmonturen. Ohne Schwierigkeiten konnte Danforth den Motor starten. Wir hoben ruhig ab und flogen über die Albtraumstadt dahin, deren uralte, zyklopische Gebäude sich unter uns erstreckten, so wie wir sie schon beim ersten Mal gesehen hatten – vor so kurzer Zeit, und dennoch vor so unendlich langer Zeit. Um vor der erneuten Passdurchquerung die Windverhältnisse zu erproben, zogen wir die Maschine höher und flogen eine Kehre. Hoch über uns musste es sehr unruhig zugehen, da die Wolken aus vereistem Staub die fantastischsten Kapriolen am Zenit vollführten; doch auf siebentausenddreihundert Metern, die für den Durchflug des Passes ausreichten, ließ sich die Maschine gut lenken.
    Als wir uns den aufragenden Gipfeln näherten, hörten wir wieder das sonderbare Pfeifen und ich sah, wie Danforths Hände am Steuer zu zittern begannen. Blutiger fliegerischer Amateur, der ich war, glaubte ich doch, in diesem Moment besser als er in der Lage zu sein, uns unversehrt zwischen den gefährlichen Bergzinnen hindurchzumanövrieren; und als ich aufstand, um ihn an den Instrumenten abzulösen, sträubte er sich nicht. Ich bot all meine Geschicklichkeit auf und hielt den Blick verbissen auf den entfernten rötlichen Abschnitt des Himmels zwischen den Steilhängen des Passes geheftet – fest entschlossen, mich nicht von den kleinen Dunstwolken aus den Bergspitzen beirren zu lassen, und voller Bedauern, meine Ohren nicht wie Odysseus’ Gefährten vor der Insel der Sirenen mit Wachs versiegelt zu haben, um dieses verstörende Pfeifen des Windes aus meinem Bewusstsein zu halten.
    Doch Danforth, seiner Pilotenpflichten enthoben und in gefährlich nervöser Erregung befangen, konnte einfach nicht still sitzen bleiben. Ich spürte, wie er auf seinem Sitz herumrutschte, zurück zu der entschwindenden Stadt sah, nach vorne auf die durchhöhlten, mit Würfeln überzogenen Gipfel, zur Seite auf das windige Wogen der verschneiten Vorberge, nach oben in den schäumenden, grotesk bewölkten Himmel. Und gerade jetzt, als ich alles daran setzte, die Maschine sicher durch den Engpass zu steuern, führte uns sein plötzliches irres Kreischen beinahe zu einer Katastrophe. Einen Moment lang verlor ich meine Selbstbeherrschung und begann, hilflos an den Instrumenten herumzufummeln. In der nächsten Sekunde fing ich mich aber wieder und konnte uns heil durch den Pass bringen – doch ich befürchte, dass Danforth für immer verändert sein wird.
    Wie ich bereits sagte, weigert sich Danforth bis heute, mir anzuvertrauen, welches finale Grauen ihn so irrsinnig aufschreien ließ – ein Grauen, das mit trauriger Gewissheit weitgehend für seinen gegenwärtigen Zusammenbruch verantwortlich ist. Als wir die sichere Seite des Gebirgszuges erreichten und in einen langsamen Sinkflug Richtung Lager übergingen, verständigten wir uns durch laute, kurze Rufe über das Pfeifen des Windes und den Motorlärm hinweg – doch dies lag eher daran, dass wir uns beim Verlassen der Albtraumstadt Geheimhaltung geschworen hatten. Gewisse Dinge, so waren wir übereingekommen, sollten Menschen besser nicht wissen und leichtfertig darüber reden – und ich würde auch jetzt nicht darüber sprechen, ginge es nicht darum, die Starkweather-Moore-Expedition und ähnliche Vorhaben um jeden Preis zu verhindern. Um des Friedens und der Sicherheit der Menschheit willen ist es absolut notwendig, dass einige der dunklen, toten Winkel und unergründeten Tiefen dieser Erde unangetastet bleiben, damit keine schlafenden Abnormitäten zu neuem Leben erwachen und sich blasphemisch überdauerte

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