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Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition)

Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition)

Titel: Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. P. Lovecraft
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Albträume aus ihren schwarzen Schlünden winden und zu neuen und größeren Eroberungen ausbrechen.
    Alles, was Danforth jemals verriet, ist, dass dieses letzte Grauen eine Spiegelung der Luft war. Sie hatte, so versicherte er, nichts zu tun mit den würfelförmigen Bauwerken und Höhlen in den widerhallenden, nebelumwogten, wurmzerlöcherten Bergen des Wahnsinns, die wir überflogen. Es war vielmehr ein einziger, fantastisch-dämonischer Blick durch die Wolken des brodelnden Zenits auf das, was sich hinter jenen anderen violetten Bergen im Westen verbarg, denen die Großen Alten ängstlich ferngeblieben waren.
    Sehr wahrscheinlich handelte es sich nur um eine Sinnestäuschung, verursacht durch die überstandenen nervlichen Strapazen und von dem realen, aber fehlgedeuteten Trugbild der toten transmontanen Stadt, die wir am Tag zuvor in der Nähe von Lakes Lager beobachtet hatten. Doch für Danforth war diese Täuschung derart naturgetreu, dass er noch heute darunter leidet. Einige Male hat er zusammenhanglose und unverantwortliche Dinge geflüstert über »den schwarzen Abgrund«, »den gemeißelten Grat«, »die Proto-Schoggothen«, »die fensterlosen Räume mit fünf Dimensionen«, »den unbeschreiblichen Zylinder«, »den älteren Pharos«, »Yog-Sothoth«, »den urzeitlichen weißen Gelee«, »die Farbe aus dem All«, »die Schwingen«, »die Augen in der Dunkelheit«, »die Mondleiter«, »das Ursprüngliche, das Ewige, das Untote« und noch mehr bizarre Begriffe. Wenn er ganz Herr seiner selbst ist, bestreitet er all dies und führt es auf seine kuriose und makabre Literatur früherer Jahre zurück. Danforth zählt wirklich zu den wenigen, die es je gewagt haben, das wurmstichige Exemplar des Necronomicon, das in unserer Universitätsbibliothek streng unter Verschluss gehalten wird, vollständig durchzulesen.
    Sicher, als wir den Gebirgszug überflogen, waren die Luftschichten über uns äußerst nebelig und unruhig; und obwohl ich selbst den Zenit nicht sah, kann ich mir gut vorstellen, dass seine Strudel aus eisigem Staub sich zu sonderbaren Gebilden geformt haben. Man weiß, wie lebensecht mitunter weit entfernte Schauplätze von solch stürmischen Wolkenschichten gespiegelt, gebrochen und vergrößert werden, und den Rest mag die Einbildung besorgt haben – außerdem hat Danforth diese expliziten Schrecken erst erwähnt, nachdem sein Gedächtnis die Möglichkeit hatte, sich an die einstige Lektüre zu erinnern. Er kann niemals so viel mit einem flüchtigen Blick gesehen haben.
    In jenem Moment im Flugzeug gerannen seine Schreie zur Wiederholung eines einzigen übergeschnappten Wortes allzu eindeutiger Herkunft: »Tekeli-li! Tekeli-li!«

Vorwort zu »Der Schatten über Innsmouth« (The Shadow over Innsmouth)
    Gegenüber dem großen Science Fiction-Roman ›At the Mountains of Madness‹ hat Lovecraft mit dieser Novelle (niedergeschrieben nach mehreren Anläufen im November und Dezember 1931) noch einmal einen Bogen zu seinen früheren narrativen Studien über regionalen und gesellschaftlichen Verfall geschlagen. In eindrücklicher Intensität zeichnet er den Niedergang eines Gemeinwesens am Bostoner North Shore vor unsere Augen. Die mythologischen Bilder und Motive, die er dazu benutzt, können und wollen nicht davon ablenken, dass auch hier (wie überhaupt in seinem Spätwerk) nicht nur Themen der Einsamkeit des Individuums im Universum zur Sprache kommen, sondern zivilisationskritische Fragen. Der folgende Text verbindet in meisterhafter Weise beide großen Themenbereiche: die Identitätssuche eines diffusen und unsicheren Protagonisten (der sich an keiner Stelle der Novelle selbst mit Namen nennt), die in einer entsetzlichen genealogischen Offenbarung kulminiert, und die kollektive Geschichte eines Gemeinwesens, welches stellvertretend für die gesamte Menschheit steht. Hierin liegt der eigentliche Schrecken: nicht was war und ist, sondern was sein wird. Lovecraft deutet die apokalyptische Ausweitung des Themas Dekadenz und Identitätsverlust nur an und mancher Leser mag sie sogar bei flüchtiger Lektüre übersehen. Sie bildet aber eindeutig den geheimen Mittel- und Zielpunkt der Novelle.
    Innsmouth (zu sprechen wie Portsmouth, also nicht etwa wie das englische Wort »mouth«) war in der frühen Kurzgeschichte Lovecrafts ›Celephaïs‹ noch eine Stadt in England gewesen: Die Idee ist wohl, dass der Ort unserer Novelle nach dem britischen Innsmouth benannt ist (wie viele neuenglische Städte und

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