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Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition)

Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition)

Titel: Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. P. Lovecraft
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dass dies einmal ein fruchtbarer und dicht besiedelter Landstrich gewesen sei. Der Wandel, so hieß es, sei zeitgleich mit der Epidemie in Innsmouth im Jahre 1846 eingetreten. Laut Ansicht des einfachen Volkes stand dies mit verborgenen Kräften des Bösen in Zusammenhang. Der wirkliche Grund war aber die schonungslose Rodung des Waldgebietes nahe der Küste, wodurch das Erdreich seines besten Schutzes vor Wind und Treibsand beraubt worden war.
    Schließlich verschwand Plum Island außer Sicht und zur Linken sahen wir die gewaltige Ausdehnung des Atlantiks. Der schmale Pfad wurde nun steiler, und ich verspürte ein eigenartiges Gefühl der Beunruhigung dabei, den einsamen Hügelkamm über uns zu betrachten, wo die gefurchte Straße auf den Himmel traf. Es war, als würde der Bus immer weiter emporklettern, die normale Welt gänzlich verlassen und mit den unbekannten Mysterien des oberen Luftreiches und des rätselhaften Himmels verschmelzen. Der Geruch des Meeres weckte unheilvolle Gedanken und der gebeugte, starre Rücken und schmale Kopf des stummen Fahrers erregten immer mehr meinen Abscheu. Als ich ihn anblickte, sah ich, dass sein Hinterkopf fast so haarlos wie sein Gesicht war und nur einige wenige, widerspenstige gelbe Strähnen eine graue schuppige Oberfläche bedeckten.
    Dann erreichten wir den Hügelkamm und erblickten das ausgebreitete Tal dahinter, wo der Manuxet sich nördlich der langen Reihe von Klippen mit dem Meer vereint, die in Kingsport Head gipfeln und sich in Richtung Cape Ann fortsetzen. Am weit entfernten nebligen Horizont machte ich gerade noch das undeutliche Profil von Kingsport Head aus, welches von dem sonderbaren alten Haus gekrönt wird, über das so viele Legenden umgehen; doch im Augenblick wurde meine Aufmerksamkeit zur Gänze von dem näher gelegenen Panorama knapp unter mir in Anspruch genommen.
    Ich erkannte, dass ich nun endlich dem von Gerüchten überschatteten Innsmouth von Angesicht zu Angesicht gegenüberstand.
    Es war eine Stadt von großer Ausdehnung und dichter Bebauung, doch so ohne sichtbares Leben, dass es wirklich unheimlich war. Aus dem Gewirr der Schornsteine drang kaum ein Fetzen Rauch, und die drei hohen Kirchtürme zeichneten sich nackt und ohne Farbe vor dem seewärts gelegenen Horizont ab. Einer davon zerfiel an der Spitze, und dieser und ein weiterer zeigten dort, wo Uhren hätten sein sollen, nur schwarze, klaffende Löcher. Der gewaltige Wirrwarr an durchhängenden Walmdächern und spitzen Giebeln vermittelte in anstößiger Klarheit den Eindruck wurmstichigen Verfalls, und als wir auf der nun abfallenden Straße näher kamen, konnte ich sehen, dass viele Dächer völlig eingestürzt waren. Weiter vom Meer entfernt standen auch einige große rechteckige georgianische Häuser mit Walmdächern, Kuppeln und von Geländern umsäumten Aussichtsplattformen. Ein oder zwei dieser Gebäude schienen in mäßig gutem Zustand zu sein. In ihrer Mitte erstreckten sich landeinwärts die verrosteten, grasüberwucherten Schienen der aufgegebenen Eisenbahn, schiefe Telegrafenmasten ohne Leitungen und die halb verblassten Fährten der alten Kutschwege nach Rowley und Ipswich.
    In der Nähe des Hafens war der Verfall am schlimmsten, obgleich ich in der Mitte den weißen Glockenturm eines recht gut erhaltenen Ziegelbauwerkes erspähen konnte, das wie eine kleine Fabrik aussah. Der seit langer Zeit versandete Hafen war von einem uralten steinernen Wellenbrecher umgeben; auf diesem erkannte ich die winzigen sitzenden Gestalten einiger Fischer, und an seinem Ende befand sich etwas, das wie das Fundament eines ehemaligen Leuchtturmes aussah. Eine Zunge aus Sand hatte sich auf der Innenseite dieser Barriere gebildet, und darauf sah ich ein paar baufällige Hütten, vertäute Boote und verstreute Hummerkörbe. Die einzige Stelle mit tiefem Wasser schien sich dort zu befinden, wo der Fluss an dem Gebäude mit dem Glockenturm vorbeiströmte und sich südwärts wandte, um sich am Ende des Wellenbrechers mit dem Meer zu vereinen.
    Hie und da ragten die Ruinen von Kaianlagen aus dem Ufer heraus, um in ungewisser Fäulnis zu enden, wobei die am südlichsten gelegenen am schlimmsten vom Verfall betroffen schienen. Und weit draußen auf dem Meer erblickte ich trotz der Flut eine lange schwarze Linie, die sich kaum aus dem Wasser erhob und dennoch eine Andeutung sonderbarer, unterschwelliger Bösartigkeit in sich trug. Dies, so war mir klar, musste das Teufelsriff sein. Als ich hinsah, schien

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