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Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition)

Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition)

Titel: Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. P. Lovecraft
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Rechteck zu durchqueren; und meinem Hirn brannte sich einen Moment lang eine albtraumhafte Vorstellung ein, die umso irremachender war, da auch genaueres Hinsehen keine einzige albtraumhafte Eigenart daran erkennen konnte.
    Es war ein lebendes Wesen – das erste, das ich, mit Ausnahme des Fahrers, gesehen hatte, seit wir in die Innenstadt gekommen waren –, und hätte ich mich in einem ausgeglicheneren Zustand befunden, so hätte ich überhaupt nichts Grauenerregendes dabei empfunden. Eindeutig war es, wie mir nun klar wurde, der Pastor. Er war in eigenartige Gewänder gekleidet, die ohne Zweifel eingeführt worden waren, als der Orden des Dagon die Rituale der örtlichen Kirchen umgeformt hatte. Was meinen Blick zuerst unbewusst festgehalten und den bizarren Schreck ausgelöst hatte, war wohl die hohe Tiara, die er trug – eine fast identische Entsprechung jener, die Miss Tilton mir am Abend zuvor gezeigt hatte. Dies hatte sich auf meine Fantasie ausgewirkt und dem undeutlichen Gesicht und der verhüllten watschelnden Gestalt darunter ein unaussprechlich finsteres Aussehen verliehen. Es gab also nicht den geringsten Anlass, mich zu fürchten. War es denn nicht natürlich, dass ein örtlicher Mysterienkult seinen Priestern auch eine einzigartige Kopfbedeckung vorschrieb, die der Gemeinde zuvor auf sonderbare Weise vertraut gemacht worden war – vielleicht als Teil eines Schatzes?
    Einige weniger abstoßend aussehende junge Leute zeigten sich jetzt auf den Bürgersteigen – einzeln oder in stummen Gruppen von zweien oder dreien. Die Erdgeschosse der verfallenden Häuser beherbergten zum Teil kleine Läden mit schmutzigen Schildern, und ich bemerkte ein oder zwei geparkte Lastwagen, als wir die Straße entlangklapperten. Das Geräusch der Wasserfälle wurde immer lauter, und alsbald sah ich ein recht tiefes Flusstal vor uns, das von einer breiten eisernen Verkehrsbrücke überspannt wurde, hinter der sich ein großer Platz öffnete. Als wir über die Brücke ratterten, sah ich rechts und links hinaus und bemerkte einige Fabrikgebäude am Rande des grasbedeckten Steilufers oder ein wenig darunter. Der Fluss tief dort unten führte sehr viel Wasser, und ich konnte zu meiner Rechten am oberen Verlauf zwei tosende Wasserfälle und mindestens einen weiteren flussabwärts zu meiner Linken sehen. An dieser Stelle war das Rauschen ohrenbetäubend. Dann fuhren wir auf den großen halbrunden Platz jenseits des Flusses und hielten auf der rechten Seite vor einem hohen, kuppelgekrönten Gebäude mit Überresten gelber Farbe und einem verblassten Schild, das es als das Gilman House auswies.
    Ich war froh, aus diesem Bus aussteigen zu können, und ging sogleich daran, meinen Koffer in der schäbigen Empfangshalle des Hotels abzugeben. Es war nur eine Person in Sichtweite – ein älterer Mann ohne das, was ich mittlerweile als den ›Innsmouth-Look‹ bezeichnete –, und ich entschied, ihm keine der Fragen zu stellen, die mich bedrückten, da ich mich erinnerte, dass über dieses Hotel sonderbare Dinge berichtet worden waren. Stattdessen schlenderte ich auf den Platz, von dem der Bus bereits wieder verschwunden war, und würdigte eingehend den Ausblick.
    Eine Seite des gepflasterten offenen Platzes wurde von der geraden Linie des Flussufers eingenommen; die andere bestand aus einem Halbkreis aus Ziegelgebäuden mit Schrägdächern aus der Zeit um 1800, von dem aus mehrere Straßen nach Südosten, Süden und Südwesten ausstrahlten. Es gab nur bedrückend wenige und kleine Laternen – alle mit schwachen Glühlampen ausgestattet –, und ich war froh, dass meine Pläne eine Abreise vor Anbruch der Dunkelheit vorsahen, wenngleich ich wusste, dass der Mond hell scheinen würde. Die Gebäude befanden sich alle in gutem Zustand und beherbergten vielleicht ein Dutzend tatsächlich geöffneter Geschäfte; eines davon war ein Lebensmittelladen der First-National-Kette, zu den andern zählten ein trostloses Restaurant, eine Drogerie und ein Fischgeschäft. Östlich des Platzes, in der Nähe des Flusses, befand sich ein Büro des einzigen Industriebetriebes der Stadt – der Marsh Refining Company. Es waren vielleicht zehn Leute zu sehen und vier oder fünf Automobile und Lastwagen standen vereinzelt herum. Man musste mir nicht sagen, dass dies das Stadtzentrum von Innsmouth war. Im Osten konnte ich den blauen Schimmer des Hafens sehen, vor dem sich die verfallenen Überreste dreier einst sehr schöner georgianischer Kirchtürme

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