Chronik einer Trennung (German Edition)
über Maria.
Er hatte angefangen zu weinen, doch Dr. Mixa unterbrach ihn nicht, er ließ ihn reden.
Er wollte erst alles hören, bevor er sein Urteil abgab. Doch alles konnte Christian nicht erzählen. Er hatte Angst vor dem was mit ihm passieren könnte, wenn er alles was ihn beschäftigte, erzählte. Er wollte nicht erzählen, dass er manchmal die Kontrolle über sich selbst verlor und dann nicht mehr wirklich wusste was er tat, und in diesem Zustand mehrmals gedroht hatte Maria, sich selbst oder jemand anders umzubringen. Er konnte nicht erzählen, dass er nur ein Kind war, ein kleines Kind, das von allen auch so behandelt wurde, und dass er früher, bis er Maria kennen lernte, homosexuelle Neigungen hatte und diese nicht zugeben durfte, wegen der Angst vor seinem Vater. Er erzählte nichts von den Bildern in seinem Kopf, die für ihn eine zweite Realität darstellten. Und seine nicht zu erklärenden Stimmungsschwankungen, von der einen auf die andere Minute, die durch winzigkleine Kleinigkeiten ausgelöst wurden, erwähnte er ebenfalls nicht.
Er wollte dass Dr. Mixa ihm half, doch er wollte nicht in eine geschlossene Anstalt eingesperrt werden.
Lieber erzählte er darüber, warum Maria mit ihm Schluss gemacht hatte: weil er sie mit in seine De pressionen hinein gezogen hatte, weil sie unglücklich war und weil sie sich in Andreas verliebt hatte, mit dem sie sich hinter seinem Rücken heimlich getroffen hatte.
Doc h das waren Begründungen die er seit einigen Stunden nicht mehr glauben konnte. Ja, sie war unglücklich gewesen, aber wegen etwas anderem.
Er reichte Dr. Mixa einen Artikel , den er am Tag zuvor zufällig, nach der Schule, im Internet gefunden und dann ausgedruckt hatte. Der Artikel trug die Überschrift: `Schlechter Sex als Trennungsgrund`.
„ Deswegen hat sie mit mir Schluss gemacht! Obwohl mich stets bemüht habe, hatte ich immer das Gefühl, dass sie unzufrieden war. Ich habe sogar mit ihr geschlafen, obwohl ich einen Leistenbruch hatte! Gut, in den letzten Monate haben wir überhaupt nicht mehr miteinander geschlafen, weil sie sich nie mit mir allein treffen wollte und weil sie ständig diese `Sex-Witze` über mich gemacht hat, konnte ich auch nicht mehr…“
Doch was ihn vor allem meisten aufregte, war, dass Maria mit ihm geschlafen hatte, obwohl sie ihn nicht liebte. Noch einmal wiederholte er, dass Liebe das war, was er am Meisten brauchte und einfach nicht bekam, von niemandem.
Damit beendete er seinen Vortrag und die Stunde war auch schon fast vorbei.
Dr. Markus Mixa hatte, außer, dass er ein paar Mal genickt und sich dabei etwas auf seinen Notizblock gekritzelt hatte, nichts weiter gesagt. Nun blickte er wieder zu Christian, freundlich und offen.
„ Nun, Christian, da haben wir ja noch einiges vor uns.“, er sah wieder auf seinen Notizblock.
„ Leider muss ich dir sagen, dass ich, nachdem was du mir erzählt hast, das Gefühl habe immer noch einen elf jährigen Jungen vor mir sitzen zu sehen. Es sind deine sozialen Fähigkeit, die sich seitdem wir uns das letzte Mal gesehen haben, nicht verändert haben. Aber das kriegen wir schon hin, wenn du dich darauf einlässt, wenn du dir von mir helfen lassen willst.“
„ Ja, das will ich“, antwortete Christian sofort.
„ Und gegen deine Depressionen können wir auch was machen. Es gibt Medikamente...“
„ ...ich will nicht unter Drogen gesetzt werden!“, erwiderte Christian angsterfüllt auf den Vorschlag.
„Das kannst nur du entscheiden, aber wenn du dir sicher bist, d ann sehen wir uns wohl nächsten Dienstag.“
Dr. Mixa erhob sich, schüttelte zum Abschied Christians Hand und gab ihm noch ein paar aufmunternde Worte auf den Weg:
„ Das wird schon, mach dir keine Sorgen.“
Ja, tatsächlich, Christian machte sich auch keine Sorgen mehr, denn nach dieser Therapiestunde konnte er wirklich nach vorne blicken. Er würde Maria eine E-Mail schreiben und ihr das Mitteilen und vielleicht würde sie dann ihren Fehler einsehen und zu ihm zurückkehren. Ja, mit Hilfe von Dr. Markus Mixa würde er ein relativ normales Leben führen können.
Wieder zu Hause, in seinem Zimmer angekommen, schrieb Christian Andreas und Maria direkt jeweils eine E-Mail, in denen er berichtete, wie viel besser es ihm seit dem Therapiebesuch ginge und dass er sich wünschte, bald wieder normal mit ihnen umgehen zu können und dass er seit der Therapiestunde nach vorne sah.
E r glaubte fest daran, dass es ihm besser ging. Selbst wenn es zu einer
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