Chroniken der Dunkelheit - 01 - Eisdrache
Gesicht. »Aagard hätte nicht noch mehr verlangen dürfen.«
9. KAPITEL
Elsa sah von dem Hasen auf, den sie häutete, und seufzte. Ihr Seufzen wurde von dem endlosen Moor um sie und dem trüben grauen Himmel über ihr geschluckt. Ihr Vater hatte ihr das Kochen beigebracht, doch kannte sie sich mit Fisch besser aus als mit Fleisch und stellte sich bei der Zubereitung des Hasen ungeschickt an. Sie beneidete Adrian um seine Fertigkeit mit Pfeil und Bogen. Cluaran hatte darauf bestanden, dass die beiden Kinder für ihren Unterhalt arbeiteten, solange sie mit ihm reisten, und der Junge hatte sich als so geschickter Schütze erwiesen, dass der Sänger ihn mit der Nahrungsbeschaffung beauftragt hatte. Auch jetzt war Adrian auf der Pirsch, um etwas für den folgenden Tag zu beschaffen. Kochen war dagegen langweilig. Wenigstens lenkte es Elsa ab und betäubte das unheimliche Kribbeln in ihrer rechten Hand, das immer noch kam und ging.
Das Schwert hatte sich seit drei Tagen nicht mehr gezeigt, doch Elsa wusste, dass es sie ständig begleitete. Manchmal spürte sie den durchdringenden Blick des Sängers auf sich und überlegte, ob er einen Verdacht hatte. Cluaran schien nicht so recht glauben zu können, dass sie die Diebe lediglich mithilfe der Fackeln vertrieben hatten. Hatte er das Schwert durch die Nacht leuchten sehen? Aber warum hatte er sie dann nicht darauf angesprochen? Und wer war die Person, die nie starb? Jemand, den Cluaran und Aagard von früher kannten? Elsa hatte so viele Fragen, doch die abweisende Haltung des Sängers hielt sie davon ab, sie zu stellen.
Sie konnte mit Cluaran praktisch nur über die unmittelbaren Belange der Reise sprechen. Adrians tiefes Misstrauen dem Sänger gegenüber teilte sie dagegen nicht. Der Sänger schien sich nach jener ersten Nacht in ihre Begleitung gefügt zu haben. Er sprach wenig, teilte aber jeden Bissen und jedes Scheit Brennholz mit ihnen. Wenn er nachts verschwindet, ist das seine Sache, dachte Elsa. Wenigstens hatte er sie bisher immer richtig geführt und an Weggabelungen oder wenn der Weg sich auf Felsen verlor, gewusst, in welche Richtung sie gehen mussten und wo sie Wasser und Holz finden würden.
Das Krächzen eines Vogels, der über ihnen kreiste, riss Elsa aus ihren Gedanken und sie wandte sich wieder dem Häuten des Hasen zu. Sie kam nur langsam voran. Als sie fertig war, war Cluaran schon mit dem Wasser zurückgekehrt und hatte Feuer gemacht.
»Nicht schlecht«, lobte er sie beim Anblick des Hasen. »Das geht mit der Zeit immer besser.« Er zeigte ihr, wie man den Hasen am Spieß über dem Feuer briet, und holte, während Elsa den Hasen überwachte, Salz aus seinem Ranzen. Der Ranzen war so aufgeteilt, dass er Kochgeschirr, Essen, Kleider und Bettzeug in bester Ordnung hielt. Elsa, die es vom Schiff ihres Vaters her gewohnt war, Ordnung zu halten, staunte nur so, was Cluaran alles eingepackt hatte. Sogar der Harfenkasten musste zur Unterbringung zusätzlicher Dinge herhalten. Er war an einer Seite mit Taschen für Pfeil und Bogen ausgestattet.
»Wer in diesen Zeiten unbewaffnet an der Straße übernachtet, ist ein Narr«, sagte Cluaran, der Elsas Blick gefolgt war. Er musterte sie ruhig. »Wie du ja selbst weißt. Ihr hattet Glück, dass die Diebe euch nicht ernsthaft verletzt haben.«
Elsa wurde rot und wandte sich wieder dem Spieß zu. »Wir hatten die Fackeln«, murmelte sie. »Und Adrian kann gut kämpfen.«
»Er hat seine Qualitäten«, gab der Sänger zu.
Er stellte gerade fest, dass der Hasenbraten fertig war, da kehrte Adrian mit zwei weiteren Hasen über der Schulter zurück. Sie setzten sich um das Feuer und kauten das sehnige Fleisch. Die Nacht brach herein. Gesprochen wurde nur wenig. Elsa war vom Marschieren müde, Adrian fühlte sich immer noch gedemütigt. Doch auch er hob interessiert den Kopf, als Cluaran ankündigte, dass sie am folgenden Tag noch vor Einbruch der Nacht in ein Dorf kommen würden.
»Man kennt mich dort«, sagte Cluaran. »Wir werden ein Bett bekommen. Die Zeiten sind hart, aber mit denen«, er zeigte auf Adrians Hasen, »sind wir bestimmt willkommen.«
Elsa freute sich darauf, wieder einmal in einem Bett schlafen zu können, auch wenn es nur für eine Nacht war. Sie wickelte sich in ihre Decke und machte es sich auf dem harten Boden so bequem wie möglich.
Adrian bewegte sich. Sie drehte sich zu ihm und sah, dass seine Augen offen waren. Sie wollte etwas sagen, doch er legte den Finger an die Lippen und deutete
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