Chroniken der Dunkelheit - 01 - Eisdrache
tiefer in das Unterholz.
Zweige schlugen Adrian ins Gesicht. Auch Elsa hatte Mühe, sich durch das dornige Gestrüpp zu zwängen, nur Cluaran glitt scheinbar mühelos hindurch. Kurz darauf blieb er stehen, hielt einen Finger an die Lippen und bedeutete ihnen stumm, in ein Dickicht aus Brombeerranken zu kriechen. Die Dornen rissen an Adrians Kleidern, doch er spürte sie nicht. Das Donnern der Pferdehufe kam immer näher und übertönte sogar sein hämmerndes Herz.
Nur wenige Meter vor ihnen, so schien es, wurde es plötzlich leiser und war nur noch gedämpft zu hören. Offenbar ritten die Reiter über den weicheren Boden auf der anderen Seeseite. Eine barsche Stimme rief einen Befehl und Adrian hörte die Reiter absteigen.
»So, weiter reiten wir nicht. Tränkt die Pferde und füllt eure Flaschen.«
»Wir reiten nicht weiter, Herr?«
»Wir haben das Königreich bereits verlassen. Die Wächter mögen weiterreiten, unsere Aufgaben liegen in Wessex.«
Die Pferde wurden in den See geführt und man hörte Wasser spritzen. Zwei Männer betraten den Wald. Adrian konnte ihre Stimmen gut verstehen.
»Kaum zu glauben, dass wir nur wegen eines alten Mannes so weit reiten müssen! Was hat er denn ausgefressen?«
»Ha! Wahrscheinlich die Wächter verärgert. Oder den Herrn Rat schief angesehen, den Lord Org …«
Der andere Mann brachte seinen Gefährten zischend zum Schweigen, denn wieder näherten sich Schritte. Die raue Stimme des Anführers ertönte.
»Hast du Fragen zu deinen Befehlen, Tib?«
»Nein, Herr«, sagte der Mann.
»Gut. Ich dulde nämlich keine Respektlosigkeit. Wir sind keine Wächter, tun aber trotzdem unsere Pflicht gegenüber König Beotrich und seinem Rat.«
Tib stotterte eine Entschuldigung. Im selben Moment schallten wieder Hufschläge durch den Wald. Adrians Haut begann zu kribbeln. Er hörte einen der Männer erschrocken etwas murmeln und hastig vor dem näher kommenden Reiter Haltung annehmen.
»Hauptmann Cathbar?«
Die Stimme klang vertraut, doch nicht sie traf ihn wie ein Schlag, sondern die Gegenwart des Reiters auf der anderen Seite der Bäume. Er spürte dieselbe Kraft, die zweimal versucht hatte, von seinem Bewusstsein Besitz zu ergreifen – dieselbe Kraft, die er eben erst abgewehrt und deren Tücke er gespürt hatte.
Orgrim.
Ich lass ihn nicht hinein!, dachte Adrian. Verzweifelt drückte er das Gesicht an den harten Waldboden, machte die Augen fest zu und verschränkte die Arme über dem Kopf. Er spürte, wie kalte Gedankenfühler nach ihm tasteten, und versuchte sein Bewusstsein zu verschließen und stillzuhalten wie ein Fuchs, der die Hunde draußen in der Erde scharren hört.
»Ich habe neue Befehle für Euch, Cathbar. Der Alte wird von zwei Kindern begleitet, einem schmächtigen Jungen mit blasser Haut, hellen Haaren und blauen Augen, der aber stärker ist, als er aussieht. Und einem Mädchen mit schwarzen Haaren und bernsteingelben Augen, das ein wenig größer ist als der Junge. Auch vor ihr seht Euch vor. Sie könnte eine Hexe sein.«
Hauptmann Cathbars Antwort klang gedämpft. Adrian konnte die Worte nicht verstehen. Die kalte, kultivierte Stimme des Dunkelauges dagegen ließ an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig.
»Sie halten sich ganz bestimmt hier in der Nähe auf. Ihr habt den Befehl, sie zu finden und anschließend unverzüglich an die Wächter auszuliefern. Ich möchte diese Verräter selbst befragen. Verstanden?«
Der Hauptmann bejahte murmelnd.
»Und lasst mich eins klarstellen, Cathbar. Ihr habt, soweit ich weiß, in der Vergangenheit einiges Mitleid mit dem Alten gezeigt, vielleicht sogar eine gewisse Zuneigung. Doch das ist lange her. Jetzt hat er seinen König verraten. Ich brauche Euch wohl nicht zu sagen, was für eine Strafe darauf steht, einem Verräter zu helfen, Hauptmann Cathbar.«
Der Hauptmann erwiderte nichts. Wieder hörte man die Männer hastig Haltung annehmen und wieder ertönten die Hufschläge. Das Dunkelauge ritt weg.
Im selben Augenblick hörte Adrian Flügel schlagen. Er hob den Kopf und sah über sich einen großen schwarzen Vogel von den Bäumen auffliegen. Die Hufschläge verstummten in der Ferne.
Ein kurzes, angespanntes Schweigen kehrte ein.
»Sieht so aus, als wären wir noch eine Weile hier beschäftigt«, sagte Cathbar.
Er teilte seine Leute in Gruppen ein. Einige sollten zur Straße zurückkehren, andere den Waldrand absuchen. Wir müssen so schnell wie möglich fliehen!, dachte Adrian in Panik. Dann merkte er, dass
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