Chroniken der Dunkelheit - 01 - Eisdrache
ersten Mal richtig lachen. Seine Augen über den dunkel geschminkten Wangen und unter den torfbraunen Haaren glänzten wasserhell.
»Du siehst aus wie ein Hausierer«, rief sie, und da Cluaran so weit weg stand, dass er sie nicht hören konnte, fügte sie hinzu: »Was würden deine Eltern denken, wenn sie dich jetzt sehen könnten?«
»Mein Vater würde mich wahrscheinlich enterben.« Adrians Augen funkelten belustigt.
Cluaran trat zu ihnen. »In Glastening seid ihr meine Schüler«, sagte er. »Wir bleiben ein, zwei Tage, befolgt meine Anweisungen also bitte ganz genau. Ich werde uns für den Rest der Reise Pferde beschaffen. Nach Venta Bulgarum haben wir noch eine weite Strecke vor uns.«
Elsa blieb stehen. »Venta?«, wiederholte sie. »Aber dort wohnt doch Orgrim.«
»Ich habe nicht gesagt, dass ihr mit mir in die Stadt kommt.« Cluarans Stimme klang ruhig. »Ich finde für euch ein Versteck außerhalb der Stadt und erledige dann meine Geschäfte.«
Nach der stillen Moorlandschaft kamen ihnen die Straßen von Glastening unerträglich laut vor. Staunend betrachtete Elsa den steinernen Kirchturm, der über dem Marktplatz aufragte, und die Menschenmenge, die den Platz bevölkerte. Mönche in braunen Kutten und mit rasierten Köpfen schlüpften wie dunkel geschuppte Fische zwischen den Menschen hindurch und blieben manchmal stehen, um einige Worte mit einem Handwerker in einem ledernen Wams oder einer Frau in einem bunten Gewand aus fein gesponnenem Tuch zu wechseln. Der Anblick einer Bernsteinkette um den Hals einer Frau fesselte Elsa so sehr, dass sie mit einem Jungen zusammenstieß, der einen geflochtenen Tragekorb schleppte. In dem Korb gackerte es laut. Elsa duckte sich unter einer Wolke von Federn hindurch und wäre dabei fast unter die Räder eines vorbeifahrenden Karrens geraten.
Cluaran riss sie zurück und sah sie tadelnd an.
Eine Glocke begann zu läuten und für einen Moment beruhigte sich der Lärm. Das Gedränge ließ ein wenig nach und die Mönche und einige Städter ließen die Arbeit ruhen und begaben sich zur Kirche. Wenig später ertönte von drinnen der Gesang von Männerstimmen.
Elsas Augen füllten sich mit Tränen. »Die Abendandacht«, flüsterte sie. Auf einmal fielen ihr die Abende zwischen ihren Seereisen ein, an denen ihr Vater sie mit in die Kirche genommen und um eine ruhige See gebetet hatte. »Ach, Vater!«, seufzte sie leise und, ohne nachzudenken, eilte sie zum Portal der Kirche und schlüpfte in das nur von Kerzen erhellte Dunkel.
Als der Gottesdienst zu Ende war, dämmerte es draußen bereits und die Marktleute schlossen ihre Buden. Adrian war Elsa in die Kirche gefolgt und hatte sich auf eine Bank am hinteren Ende neben sie gesetzt. Von den lateinischen Worten hatte er nur wenig verstanden und die Kerzen und die Dunkelheit bedrückten ihn, doch war er froh, dem lärmenden Markttreiben und zumindest vorübergehend Cluarans Anweisungen entronnen zu sein. Aus den Augenwinkeln hatte er Elsa während des Gottesdienstes beobachtet. Sie hatte alle Gebete zum Sprechgesang der Mönche mitgesprochen. Offenbar kannte sie sie so gut wie er die Rituale der Hausgötter seiner Mutter.
Vor der Kirche stieß Cluaran wieder zu ihnen. Er wurde von einem korpulenten Mönch begleitet, den er als Bruder Anselm vorstellte.
»Er ist der Kellermeister der Mönche – zuständig für Essen und Vorräte«, sagte er. Und an den Mönch gewandt: »Das sind die beiden Schüler, von denen ich Euch erzählt habe, Anselm. Gutmütige Burschen, wenn auch manchmal etwas begriffsstutzig.«
»Wie ich sehen kann, sind sie zumindest gute Christen«, sagte der Mönch beifällig. Adrian sah ihn erstaunt an. Offenbar hatte man ihm in der Kirche nicht angemerkt, dass er sich fremd fühlte. »Seid zum Abendessen unsere Gäste«, fuhr der Mönch an Cluaran gewandt fort. »Der Abt wird sich freuen, wenn Ihr uns ein Heiligenleben singt. Ihr versteht Euch so gut auf den Vortrag der heiligen Lieder, man möchte gar nicht glauben, dass Ihr nicht dem wahren Glauben angehört.«
Cluaran schüttelte lächelnd den Kopf.
»Und Eure Schüler?«, fragte Bruder Anselm. »Können sie denn eine Melodie auch genauso gut halten wie Ihr?«
»Leider nein«, erwiderte Cluaran. »Sie sind darin beide noch sehr ungeschickt. Aber sie werden Euch in der Küche helfen und heute Abend bei Tisch bedienen, wenn Ihr sie einweist.« Cluaran zeigte auf Elsa. »Elis ist nicht besonders helle. Er redet nicht viel.« Er sah Elsa
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