Chroniken der Dunkelheit - 01 - Eisdrache
bedeutungsvoll an. »Dafür kann er kochen, lasst ihn deshalb den Bratspieß beaufsichtigen. Der andere Junge, Ned, kann Holz hacken und Fässer rollen, auch wenn er schmächtig wirkt.«
Adrian wollte schon protestieren, doch da hatte sich der Sänger bereits umgedreht und sie der Obhut Bruder Anselms überlassen.
Elsa sah ihm genauso empört nach wie Adrian, doch dann legte sie den Finger an die Lippen, um Adrian zu bedeuten, er solle still sein. Der Mönch führte sie zu einigen Gebäuden hinter der Kirche und in einen Raum mit steinernen Wänden, die Küche. An geschwärzten Deckenbalken hingen Schinken und Zwiebeln. Anselm ließ sie auf einem Brett Gemüse klein schneiden und ging selbst daran, das große Feuer zu schüren.
»Sind wir denn Cluarans Sklaven?«, flüsterte Adrian empört, sobald der Mönch mit Schürhaken und Blasebalg beschäftigt war.
Elsa hackte wütend eine Karotte klein. »Er hat uns in die Küche geschickt, damit wir aus dem Weg sind«, murmelte sie. »Er traut uns nicht einmal zu, dass wir den Mund halten können. Von wegen nicht besonders helle!« Mit einem Schlag spaltete sie eine ganze Rübe.
Adrian zerkleinerte einen Bund kleiner Zwiebeln mit glänzender Schale. Als er den Kopf wieder hob, tränten seine Augen von den beißenden Dämpfen, doch hätte er schwören können, dass Elsa lächelte. Was hatte sie vor?
Der Speisesaal der Mönche war viel größer als die Küche. Zum Abendessen versammelten sich dort zahlreiche Mönche, Novizen und Gäste und bald wurde es heiß und stickig. Adrian und Elsa eilten ununterbrochen mit Bierkrügen und Broten zwischen den vier langen Tischen hin und her, während Bruder Anselm und die mit dem Küchendienst beauftragten Novizen Suppe und Fleisch auftrugen. Cluaran saß an der Gästetafel zwischen einem alten Pilger und einem selbstgefälligen Kaufmann mit einer Silberkette und beachtete sie nicht.
Adrian zapfte gerade Bier vom großen Fass, als Elsa wieder mit einer Platte in den Speisesaal unterwegs war, auf der sich flache Brotlaibe stapelten. Sie verteilte das Brot in regelmäßigen Abständen auf den Tischen und beugte sich dabei zwischen den Essenden hindurch, die weiteraßen und sich unterhielten, als sei sie Luft. Neben Cluaran blieb sie stehen, dann schien sie zu stolpern. Die Platte kippte und das ganze Brot rutschte auf den Tisch. Ein Laib fiel spritzend in Cluarans Suppe, ein anderer landete auf seinem Schoß. Der Sänger rührte sich nicht und blickte auch nicht auf. Adrian fühlte sich zwischen Lachen und Entsetzen hin- und hergerissen – wir dürfen keine Aufmerksamkeit erregen! Erleichtert stellte er fest, dass niemand das Unglück bemerkt hatte. Elsa kam mit dem leeren Brotteller an ihm vorbei und zwinkerte ihm zu.
Diener sind unsichtbar!, dachte Adrian. Er hätte es vom Hof seines Vaters wissen müssen. Cluaran hatte ihre Verkleidung gut gewählt, auch wenn sie sich darüber empörten.
»Ihr habt für heute Abend genug gearbeitet, Burschen!«, sagte Bruder Anselm und schob sie aus dem Saal. »Geht in die Küche und esst selbst etwas.«
Am Ende des Abends sang Cluaran noch die Geschichte vom heiligen Erkenwald. Adrian saß auf einem Binsenhaufen vor dem Eingang zum Speisesaal und hörte zu. Die Stimme des Sängers klang so klar und süß wie der Gesang eines Vogels. Auf das Ende des Lieds folgten donnernder Beifall und Rufe nach mehr. Cluaran sang ein zweites Lied, diesmal in der seltsamen Sprache, die Adrian schon einmal gehört hatte. Das Lied schien von Streit, Liebe, Eifersucht und Verlangen zu handeln, doch die Worte verstand er nicht.
Die Mönche verließen den Speisesaal und begaben sich zum Abendgottesdienst in die Kirche. Cluaran blieb zurück. Er trat zu drei anderen Gästen, Männern mit harten Gesichtern und in schwarzen Umhängen, die ihm finster entgegenblickten. Trotzdem folgten sie ihm in eine Ecke, wo sie sich leise unterhielten. Adrian beobachtete sie neugierig von der Tür aus, bis ein junger Mönch ihn aufscheuchte und sagte, er und Elis könnten im Stall hinter dem Abtshaus schlafen. Sie gingen. Cluaran sah ihnen nicht nach.
Früh am nächsten Morgen folgten sie dem Sänger zum Marktplatz. Cluaran wirkte abwesend. Vor der Kirche blieb er stehen und zog einen klimpernden Beutel aus seinem Kittel. Er schüttete den Inhalt auf seine Hand und gab Adrian und Elsa einige Kupfermünzen.
»Kauft euch auf dem Markt etwas zu essen«, sagte er mit einem Nicken zum anderen Ende des Platzes, an dem einige
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