Chroniken der Dunkelheit - 01 - Eisdrache
unglücklich, was ihnen das Kristallschwert und die Gabe eines Dunkelauges nützten, wenn man sie trotzdem zu einem hilflosen Bündel verschnüren konnte.
Draußen wurden Stimmen laut und schwere Schritte kamen eilig näher. Adrian lauschte angespannt. Hoffentlich wachte Elsa auch auf. Er merkte, dass die Stimmen stritten.
»Das ist Sache der Wächter, nicht Eure. Ihr habt hier nichts zu suchen.«
»Habe ich doch.« Die zweite Stimme klang tief und heiser. Adrian meinte sie zu kennen und versuchte sich zu erinnern, wo er sie gehört hatte. »Meine Leute haben die Schurken genauso gejagt wie die Wächter, und ich habe dem König schon gedient, als ihr noch die Gänse eurer Mütter gehütet habt! Wenn diese beiden eine Gefahr für den König darstellen, habe ich das Recht, sie zu sehen.«
Ein Kratzen ertönte – der Deckel eines Gucklochs in der Tür wurde zurückgeschoben. Dann sprach wieder die tiefe Stimme. Sie klang empört. »Das sind ja nur zwei Jungen!«
»Dafür kann ich nichts, Hauptmann Cathbar«, sagte der andere Mann. Er klang, als wollte er sich rechtfertigen. »Lord Orgrim sagt, sie seien Mörder. Der eine hat ein Schwert. Ich kann Euch nicht hineinlassen!«
»Versuche nicht, mich aufzuhalten, Bursche. Du würdest es bereuen, das verspreche ich dir.«
Die schwere Tür ging auf und Cathbar stapfte herein. In der einen Hand hielt er eine Fackel, mit der anderen schlug er die Tür hinter sich zu. Adrian hörte, wie sich der Wächter draußen eilig entfernte.
»Der kommt demnächst wieder und bringt seine Kameraden mit«, sagte Cathbar.
Adrian erkannte ihn sofort. Er hatte an dem Tag, an dem sie Wessex betreten hatten, am See nach ihnen gesucht. Die Fackel beschien ein faltiges, grobschlächtiges Gesicht. Cathbar musterte Adrian prüfend mit tief in den Höhlen liegenden Augen.
»Und dann werfen sie mich raus. Aber zuerst werde ich mit dir reden. Ich habe keine Kinder erwartet.«
»Ich werde Euch Rede und Antwort stehen«, sagte Adrian vorsichtig. Dem Wortwechsel nach zu schließen, den er soeben verfolgt hatte, gehörte der Mann nicht zu den Wächtern. Allerdings bedeutete das noch nicht, dass er ihm vertrauen konnte. »Zuerst bitte ich Euch um Hilfe. Mein Gefährte ist verletzt.«
»Mir fehlt nichts«, sagte Elsa hinter ihm schwach und bewegte sich. Ein Stein fiel Adrian vom Herzen. Die Ketten klirrten und Elsa stöhnte leise vor Schmerzen. »Mein Kopf!«
Cathbar war mit einem Schritt bei ihr. Im Licht der Fackel betrachtete er aufmerksam ihr Gesicht. »Ihr seht nicht aus wie Mörder«, sagte er. »Die Wächter behaupten, ihr wäret bewaffnet in die Stadt eingedrungen und hättet sie angegriffen.« Er sah wieder Adrian an. »Sagt mir, ob sie recht haben und warum ihr hier seid.«
Adrian schüttelte den Kopf. »Zuerst müsst Ihr uns sagen, was die Wächter mit uns vorhaben.«
Der Mann seufzte. »Da weiß ich auch nicht mehr als du, Junge. Ich bin ein Gefolgsmann des Königs und kein Wächter. Wie ich gehört habe, will Lord Orgrim allerdings morgen einen Prozess im Haus des Rates veranstalten – dem großen steinernen Gebäude am Platz, in dem der König und der Rat sich besprechen. Vermutlich geht es dabei um euch, und ihr werdet der Verschwörung gegen den König angeklagt.«
Schweigen folgte auf seine Worte. Ein kalter Schauer lief Adrian über den Rücken. Die an seinen Rücken gefesselte Elsa erstarrte.
»Ich will offen mit euch sprechen«, fuhr Cathbar fort. »Egal, ob ihr schuldig oder unschuldig seid, ich kann nur wenig für euch tun. Aber wenn ihr aus einem bestimmten Grund nach Venta gekommen seid, sagt ihn mir und ich werde dafür sorgen, dass der Hof davon erfährt.«
»Es gibt keinen solchen Grund«, erwiderte Adrian gleichgültig. »Wir waren auf dem Weg nach Hause, nach Osten.«
»Und ich wollte aus bloßer Neugier unbedingt die Stadt sehen«, ergänzte Elsa bitter. »Ich hätte auf Aagard hören sollen. Er sagte ja, wir sollten Venta meiden.«
Cathbar sah sie scharf an. »Was für einen Namen hast du eben genannt?«
»Aagard«, wiederholte Adrian misstrauisch. »Ein alter Mann, der uns half, als unser Schiff unterging.«
»Wie sah er aus?« In der Stimme des Hauptmanns schwang unterdrückte Erregung mit. Halb zu sich selbst murmelte er: »Es kann doch wohl nicht zwei dieses Namens geben …«
»Groß, mit einem weißen Bart und dunklen Augen«, sagte Adrian. »Er ist ein Gelehrter und Heiler. Er will früher Mitglied im Rat des Königs gewesen sein und besitzt auch
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