Chroniken der Dunkelheit - 02 - Kristallschwert
Mit Blicken voll verzweifelter Sehnsucht verschlang sie das Gesicht ihres Vaters, das sie lächelnd anblickte und dann ernst wurde. Wie groß du geworden bist, mein tapferes Mädchen …
Das Schwert schrie in ihrem Kopf, aber sie konnte nicht verstehen, was es sagte. Eine eiskalte Hand berührte ihren Arm: Eolande. Die Fay-Frau packte Elsas Schwerthand mit beiden Händen. Die Klinge wand sich wie eine Schlange und schrie noch lauter. Trotzdem war Eolandes Stimme noch zu hören. Sie klang fest und beruhigend.
»Hab keine Angst, Elsa. Ich helfe dir.« Und sie drückte mit ihren Händen, die sich kalt und glatt wie Marmor anfühlten, Elsas Schwertarm nach unten.
20. KAPITEL
Sie waren alle tot, bis auf den letzten Mann. Klagend strichen ihre Geister um uns herum, gefangen von dem Einen, den wir tief im Berg gefesselt hatten.
Wir beerdigten ihre Überreste in dem Bewusstsein, verloren zu haben. Zwar hatten wir Loki gefesselt – doch unter allzu großen Opfern.
Erlingr jagte uns fort. Sein Sohn und sein Enkel waren tot und er gab mir die Schuld daran.
Dann kam Ioneth zu mir.
»Es ist Zeit, das Schwert zu schmieden«, sagte sie. »Wir müssen Loki töten.«
Ich sah mich um, sah die zerschmetterten Krieger ›die weinenden Frauen und in der Ferne den verkohlten Berg.
Ich konnte sie nicht abweisen.
Zum Eingang des Tunnels war es weiter, als Cluaran in Erinnerung hatte, und dann wäre er fast daran vorbeigegangen. Erst beim zweiten Hinsehen entdeckte er ihn. Was für ein Leichtsinn! ,schalt er sich. Reiß dich gefälligst zusammen! Eolandes Name, von Adrian so unschuldig ausgesprochen, hatte ihn in Verwirrung gestürzt – doch jetzt war keine Zeit für Trauer oder Schuldgefühle. Damit kannst du dich später befassen. Jetzt hast du zu tun.
Er versammelte die anderen um sich. Ari kannte den Ort fast so gut wie er selbst, ein großer Vorteil. Die Menschen hingegen … er musste sie wenigstens warnen.
»Dieser Gang führt zu Lokis Höhle im Berg«, sagte er. »Ihr müsst wissen, dass Loki trotz seiner Fesseln noch über große Macht verfügt. Er spürt, dass wir kommen, und spielt seinen Besuchern gern alle möglichen bösen Streiche. Ihr beide, Hauptmann Cathbar und du, Fritha, habt eigentlich keinen Grund, mit uns zu kommen.« Auch Adrian hatte das nicht, dachte er, schwieg aber wohlweislich. Der Junge würde bestimmt nicht draußen warten, solange Elsa in Gefahr schwebte.
Doch auch Cathbar weigerte sich rundheraus, draußen zu bleiben, und das Mädchen zu Cluarans Erstaunen ebenfalls. Ihr Gesicht war bleich, aber entschlossen, und Cluaran hatte es eilig und konnte sich nicht auf einen Streit einlassen. Er zog einen Stock aus seinem Bündel, machte daraus eine Fackel, indem er ihn mit einem Streifen Stoff umwickelte, und erteilte einige Anweisungen.
»Wir müssen einzeln hintereinandergehen. Egal was ihr seht oder zu spüren meint, fangt nicht an zu rennen. Vergesst nicht, Loki ist ein Meister der Täuschung. Aber er kann euch nichts tun, solange er euch nicht anfassen kann.«
Die anderen nickten und er musterte sie ein letztes Mal zweifelnd. Der Hauptmann würde sich an seine Anweisungen halten – und das Mädchen versuchte immerhin tapfer seine Panik zu verdrängen, obwohl Aris Nähe ihm sichtlich zu schaffen machte. Es ist sicher mit Geschichten von Eismonstern aufgewachsen, dachte er ironisch. Der Junge, Adrian, wirkte bei aller Erschöpfung verändert – er schien eine Zähigkeit zu besitzen, die Cluaran bis dahin nicht an ihm bemerkt hatte. Er würde mithalten können.
Mithilfe eines Feuersteins zündete Cluaran Fackeln für sich und Ari an, dann ging er in den Tunnel voraus.
Er war noch keine fünf Schritte gegangen, da umfing ihn eine undurchdringliche Nacht, gegen die er mit seiner kleinen Fackel kaum etwas ausrichten konnte. Er hob sie höher und blickte über die Schulter. Direkt hinter ihm kam Adrian, dessen Miene sich belebt hatte und der geradezu neugierig schien. Das Mädchen dahinter war im Dunkel kaum noch auszumachen, doch wirkte sie einigermaßen ruhig. Von den letzten beiden sah er nur Aris flackernde Fackel. Cluaran hielt seine eigene Fackel wieder vor sich und eilte weiter. Das Licht reichte nur für die nächsten drei Schritte, doch führte der Weg, soweit er sich erinnerte, nahezu gerade und einigermaßen gleichmäßig nach unten – vorausgesetzt, niemand hatte ihn verändert. Er hatte bisher geglaubt zu wissen, was sie unten in der Höhle erwartete … aber Eolande war auch
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