Chroniken der Dunkelheit - 03 - Feuerkreis
Osten ins Tal gekommen, sagte Wyn. Zwar kursierten Gerüchte über eine ausländische Armee in dieser Gegend, doch hörten die Dorfbewohner, dass die Männer sich auf Dansk unterhielten. Sie verließen die Straße, zertrampelten die frisch eingesäten Felder und griffen dann die Hütten an.
»Unsere Männer wollten sie aufhalten«, sagte Wyn und auf ihrem Gesicht spiegelte sich immer noch das Grauen, das sie empfunden hatte. »Die Reden gingen hin und her … Die Banditen forderten unsere Männer auf, sich ihnen anzuschließen … und dann fielen sie plötzlich mit ihren Äxten und Schwertern über sie her.«
Die meisten Männer wurden getötet, darunter auch Wyns Mann. Die Alten, Frauen und Kinder flohen in die Berge, während die Mörder die Hütten anzündeten, doch Wyn und ihre Nachbarin Sigrid blieben, um einigen Verwundeten bei der Flucht zu helfen.
»Vier oder fünf konnten noch entkommen«, sagte sie. »Und wir haben Reinhard mitgebracht.« Sie wandte sich an Cathbar. »Seid Ihr an unserem Dorf vorbeigekommen? Waren die Verrückten noch dort? Oder sonst jemand?«
»Ich habe kein Lebenszeichen gesehen«, erwiderte Cathbar ernst. »Leider konnten wir nicht anhalten und nachsehen, ob jemand Hilfe brauchte. Wir folgen selbst der Spur eines Gefährten, der entführt wurde – vielleicht von denselben Leuten.«
»Nicht von denen«, sagte die jüngere Frau, Sigrid, scharf. »Die haben sich aufgeführt wie Bestien, nicht wie Menschen. Die machen keine Gefangenen.«
Wyn richtete sich auf. »Wir sollten ins Dorf zurückkehren«, sagte sie. »Wenn die Mörder wirklich weg sind, werden unsere Nachbarn zurückkehren und wir werden viel zu tun haben.«
»Närrin.«
Das hatte Eolande gesagt. Sie starrte die über ihren bewusstlosen Sohn gebeugte Frau unbewegt an. »Was könnt Ihr schon tun?«, fuhr sie fort. »Die Toten aufbahren? Davon werden sie nicht wieder lebendig! Euer Dorf ist zerstört, Euer Mann tot. Wozu also etwas tun?«
»Warum nicht?«, erwiderte Wyn heftig. »Wenn die Männer meiner Nachbarinnen und Freundinnen tot sind, sollen sie wenigstens anständig begraben werden. Und nicht alle sind tot!« Sie strich ihrem Sohn mit der Hand über die Stirn.
Eolande starrte sie nur an und stand gebückt auf. »Aber der ist es bald«, murmelte sie und zwängte sich durchs Gestrüpp nach draußen.
Cluaran warf der Frau einen entschuldigenden Blick zu und folgte seiner Mutter. Elsa und Cathbar sahen ihm entsetzt nach. Wyn beugte sich mit zuckenden Schultern über ihren Sohn, die jüngere Frau starrte Elsa und Cathbar böse an.
»Entschuldigung«, stammelte Elsa. »Eolande wollte nicht … Wir gehen jetzt besser.« Sie nahm Wulf an der Hand und zog ihn hinter sich durch die Büsche.
»Wie konntest du das sagen?«, fragte Cluaran seine Mutter draußen.
»Er hat mich nicht gehört«, erwiderte Eolande unbeteiligt. »Unsere Stimmen erreichen ihn nicht mehr. Und warum soll sie sich Hoffnung machen, wenn es doch keine mehr gibt?«
»Es gibt immer Hoffnung«, beharrte Cluaran. »Eine erfahrene Heilerin könnte ihn zurückholen.« Er schwieg. »Früher hättest du es versucht.«
»Aber es wäre sinnlos.« Eolande klang auf einmal fast bittend. »Die Frau hat alles verloren – und ihr Sohn würde wahrscheinlich trotzdem sterben. Warum soll ich dagegen ankämpfen?«
»Würdest du das auch sagen, wenn er dein Sohn wäre?«
Wyn war ihnen aus der Höhle gefolgt. »Ihr wollt ihn einfach so sterben lassen, obwohl Ihr ihn vielleicht retten könntet?«
Ihr Gesicht war tränenverschmiert, aber sie entließ Eolande nicht aus ihrem Blick.
Eolande verknotete die Hände.
»Es … gäbe natürlich einige Möglichkeiten«, sagte sie schließlich. »Aber es besteht kaum Hoffnung …«
»Wollt Ihr es nicht wenigstens versuchen?«, fiel ihr Wyn ins Wort. »Glaubt mir, ich klammere mich an jede Hoffnung, auch wenn sie noch so schwach ist. Ich werde bis zu meinem letzten Atemzug um Reinhard kämpfen.«
»Und was ist, wenn er dann doch stirbt?«, flüsterte Eolande.
»Dann kämpfe ich für meine Nachbarinnen und deren Kinder. Was sollte ich sonst tun?«
Eolande schloss die Augen und ließ die Hände sinken. Dann hob sie langsam den Kopf und sah Wyn wieder an.
»Also gut«, sagte sie mit fester Stimme, »ich werde es versuchen.«
9. KAPITEL
Sie trugen Adrian an Händen und Füßen. Über seinen Kopf hatten sie einen Sack gestülpt.
Sehen konnte er natürlich trotzdem. Noch während er um sich schlug und stieß, tastete er
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