Chroniken der Dunkelheit - 03 - Feuerkreis
Heored seinen Unterführern. Die Männer bildeten ein Rechteck hinter ihm und warteten auf den Befehl zum Rückzug. Doch über das Feld kam die Hecke auf sie zu, die inzwischen zu einer undurchdringlichen Wand von Männern geworden war. Ein neues Geräusch ertönte: das tiefe Brummen, das Adrian zu Beginn des letzten Angriffs gehört hatte.
»Dein Vater soll sich mit seinen Leuten zurückziehen«, sagte Cluaran leise zu Adrian.
Heoreds Leute marschierten los, Cluaran dagegen blieb stehen und streckte dem näher kommenden Haufen die Hände mit auswärts gedrehten Handflächen entgegen. Adrian konnte bereits undeutlich helle Gesichter erkennen. Das tiefe Brummen steigerte sich zu einem schrillen Geheul. Heored streckte fluchend die Hand aus und zog Adrian hinter sich her. Doch Cluaran harrte auf seinem Platz aus.
Wind kam auf und stach Adrian ins Gesicht. Heored zog ihn zwischen den Bogenschützen hindurch, die ihren Rückzug decken sollten. Ein feuchter Windstoß fuhr über sie hinweg. Adrian warf einen Blick über die Schulter. Helle Lichtpünktchen wirbelten im Wind durch die Luft und umgaben den Sänger, der bewegungslos dastand und die rasch näher kommende Wand von Männern nicht zu bemerken schien. Der heisere Gesang der Männer dröhnte Adrian in den Ohren. Er machte sich von seinem Vater los. Wenn Cluarans Plan schief ging, musste er ihm helfen.
Die Lichtpünktchen wurden immer zahlreicher, bis der Sänger in eine ganze Wolke eingehüllt schien. Der Wind heulte und übertönte schon fast das Geschrei ihrer Gegner. Plötzlich breitete Cluaran die Arme weit aus. Die Wolke schien von seinen Fingern abzufließen, der Wind trieb sie den näher rückenden Männern entgegen und hüllte sie ein wie ein dicker nasser Nebel.
Der Sprechgesang geriet durcheinander. Cluaran war wieder deutlich zu sehen – eine schlanke schwarze Silhouette vor einer dicken Nebelbank. Einen Augenblick verharrte er bewegungslos wie eine Statue, dann drehte er sich um und rannte zwischen den erstaunten Bogenschützen hindurch auf Adrian zu.
»Spart eure Pfeile für eine andere Gelegenheit auf!«, rief er. »Der Nebel wird ihnen folgen, bis er sich auflöst.« Bei Adrian und seinem Vater angelangt, fügte er hinzu: »Herr, blickt hinter euch.« Adrian sah erst jetzt, wie bleich der Sänger war. Auf seinem Gesicht glänzte der Schweiß und seine Stimme zitterte.
Heored blieb endlich stehen und drehte sich zu ihren Verfolgern um. Nur noch brodelnder Nebel war zu sehen, aus dem verwirrtes Geschrei und Waffengeklirr drangen.
Der König schwieg einen Augenblick, dann pfiff er gellend. Alle drehten sich zu ihm um. »Wir marschieren flussabwärts!«, brüllte er.
Anderthalb Meilen weiter östlich wateten sie durch den Fluss und stiegen das gegenüberliegende Ufer hinauf. Hinter ihnen hing immer noch der Nebel über dem Land wie ein Vorhang. Ihre Feinde versuchten ihm zu entkommen, doch er folgte ihnen auf Schritt und Tritt. Einige Männer des Königs brachen in Freudengeschrei aus, als sie sahen, wie ihre Verfolger feststeckten, doch die meisten waren zu müde. Die Füße taten ihnen weh und sie froren. Heored stellte Wachen auf und befahl seinen Leuten, sich so gut wie möglich auszuruhen. Cluaran legte sich hin und war sofort eingeschlafen. Adrian dagegen fand keine Ruhe. Sein Vater schien ihn zu meiden und brummte nur einmal, als er an ihm vorbeikam: »Schlaf jetzt.« Adrian fürchtete das nächste Gespräch, das unweigerlich kommen musste.
Er setzte sich neben Cluaran auf den Boden und starrte in die Nacht. Nach einer Weile kam Elsa und gesellte sich zu ihm.
»Du hast gut gekämpft«, sagte sie. Er schwieg. »Glaubst du, sie werden nachts wieder angreifen?«
Sie blickten auf die Nebelbank hinunter und Adrian sah, dass der Nebel dünner wurde. Er konnte bereits undeutlich Gestalten erkennen, die ziellos in allen Richtungen durcheinanderliefen.
»Ich glaube, wir sind vorerst noch sicher«, sagte er. »Dank Cluaran.« Dass auch er seinen Vater gewarnt hatte, verschwieg er.
Der Morgenstern war bereits aufgegangen, als der Nebel sich vollends lichtete. Doch ihre Gegner waren verschwunden. Nur noch der völlig zertrampelte Boden zeugte von ihrer Anwesenheit.
Heored war offenbar die ganze Nacht aufgeblieben. Unablässig wanderte er zwischen seinen Männern auf und ab und überprüfte Waffen und Ausrüstung. Er besprach sich noch einmal mit seinen Unterführern und ließ die Wachen ablösen. Elsa schlief nach einer Weile ein. Adrian
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