Chroniken der Dunkelheit - 03 - Feuerkreis
wartete die ganze Zeit darauf, dass sein Vater ihn zu sich befahl.
Doch schließlich ging die Sonne auf und Heored hatte immer noch nicht mit ihm gesprochen.
Beim Aufwachen spürte Elsa den kalten Boden und ihr Ranzen drückte ihr gegen den Hals. Sie öffnete die Augen und schloss sie von der Morgensonne geblendet gleich wieder.
Irgendwo hinter ihr hörte sie tiefe Stimmen. Heored hielt offenbar Rat. Sie stützte sich auf die Ellbogen. Neben ihr lag Eolande und schlief noch fest, auf Eolandes anderer Seite lagen Cluaran und Cathbar. Adrian war nicht zu sehen. Er war vermutlich bei seinem Vater.
Wulf! Sie sah sich in plötzlicher Verzweiflung um. Der Junge hatte ganz sicher zwischen ihr und Eolande gelegen, doch jetzt war er verschwunden. »Warum kann er nie bei uns bleiben?«, murmelte sie und stand auf.
Der flache Kamm des Hügels war keine zehn Meter breit. Vorsichtig ging sie zwischen den Männern hindurch, die mit angezogenen Beinen auf dem Boden sitzend oder aneinandergelehnt schliefen. Sie umrundete das hastig aufgestellte Zelt, in dem Heored sich immer noch mit seinen Leuten besprach, und trat an den Rand der kleinen Fläche. Doch Wulf blieb verschwunden. Wie weit war er diesmal marschiert? Sie blickte vom Rand des provisorischen Lagers zum Fluss und zur Wiese am anderen Ufer hinunter, auf der ihre Gegner in der vergangenen Nacht aufmarschiert waren. Jetzt lag sie verlassen da. In dem aus Osten kommenden schwachen gelben Licht war nur der zertrampelte Boden zu sehen. Der Nebel hatte sich aufgelöst, lediglich einige Fetzen hingen noch über dem Boden. Wulf sah sie nicht.
Etwas weiter unterhalb am Hang stand ein Wachposten, der gegen den kalten Morgenwind seine Kapuze aufgesetzt hatte. Wenn er den Jungen gesehen hätte, hätte er ihn bestimmt angehalten, dachte Elsa. Trotzdem ging sie zu ihm hinunter. Er drehte sich um, als sie näher kam, und sie erkannte Adrian.
»Ich konnte nicht schlafen«, murmelte er. »Also sagte ich dem Posten, dass ich seinen Platz übernehmen würde.«
»Ich dachte, du seist bei deinem Vater«, sagte Elsa und brach beunruhigt ab. Adrians Gesicht war kreideweiß und er sah unglücklich aus.
»Er hat mich nicht gerufen.« Er wandte sich ab und blickte den Hang hinunter. »Ich habe ihm gestern Abend gesagt, dass ich ein Ripente bin. Ich weiß nicht, ob er mir das je verzeiht.«
»Verzeiht!«, wiederholte sie. »Was soll er dir denn verzeihen?« Und als er schwieg, fuhr sie fort: »Das ist doch Unsinn. Denn ich habe gesehen, wie stolz er auf dich ist! Er braucht nur ein wenig Zeit, um sich daran zu gewöhnen.«
»Vielleicht«, sagte Adrian, ohne sie anzusehen.
Elsa folgte seinem Blick zu der Wiese hinunter. »Hast du Wulf gesehen?«, fragte sie. »Er ist wieder mal weggelaufen.«
»Schon wieder!« Adrian drehte sich mit einem Ruck zu ihr um. »Wie dumm ist er eigentlich?«
Aber dann fanden sie Wulf auf der anderen Seite des Hügels. Er las am Hang hinter Heoreds Zelt Steine auf. Er winkte Elsa zu und schien überrascht, als sie zu ihm hinunterstieg und ihn unsanft am Arm packte und schimpfte.
»Mir war langweilig«, sagte er nur unschuldig.
Sie kehrte mit ihm nach oben zurück. »Es gibt hier böse Menschen, Wulf«, sagte sie. »Deshalb musst du in unserer Nähe bleiben.« Doch der Junge starrte sie nur ausdruckslos an.
Sie näherten sich dem Zelt. Von drinnen waren erregte Stimmen zu hören.
»Wir müssen gegen sie kämpfen!«, sagte Heored gerade. »Sie haben zwei Kundschafter getötet und unser Lager angegriffen. Sie müssen lernen, dass wir aus Sussex uns das nicht gefallen lassen. Außerdem muss ich mich für den Schaden rächen, den sie meinem Cousin zugefügt haben.«
»Aber mit Verlaub«, protestierte ein Unterführer – Elsa meinte Theobalds Stimme zu erkennen –, »wir haben keine Beweise, dass es sich um dieselben Leute handelt. Die Leute, die Northumbria geplündert haben, sind inzwischen vielleicht nach Hause zurückgekehrt, und wir haben es jetzt mit gewöhnlichen Straßenräubern zu tun – oder mit Barbaren aus Friesland oder Sachsen.«
»Es sind dieselben Männer.« Heored klang ungeduldig. »Sie greifen wehrlose Dörfer an und töten Frauen und Kinder. Mich wurmt, dass sie ihrem Treiben schon so lange ungestraft nachgehen.« Ein anderer Unterführer erhob neue Einwände und etwas fiel laut um und die Wände des Zelts erzitterten, als sei Heored aufgesprungen.
»Schluss mit dem Gerede!«, rief der König barsch. »Wir greifen heute noch
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