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Chroniken der Jägerin 3

Chroniken der Jägerin 3

Titel: Chroniken der Jägerin 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Liu
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ich es überhaupt versuchen sollte. Ich habe so etwas noch nie zuvor gesehen. Es ist fast so, als hätten Jacks Besessenheit und seine Abreise ein Loch in den Geist des Jungen gestanzt. Ich kann in das Loch hineinsehen, aber es ist so, als ob man zum ersten Mal in den geöffneten Körper eines Menschen
schaut und nichts von Medizin versteht. Man sieht die Teile, aber man weiß nicht, wie sie zusammengesetzt sind oder wie sie arbeiten.«
    »Er hat recht«, sagte die Botin, die die Schlafzimmertür fixierte. »Es würde Komplikationen geben.«
    Grant sah sie wütend an. »Wir müssen davon ausgehen, dass das nicht zum ersten Mal passiert ist und Byron es immer überlebt hat. Aber wir könnten uns irren. Ich weiß nicht, was Jack ihm über die Jahre alles angetan haben mag.«
    Und wohin ist Jack gegangen?, fragte ich mich im Stillen, weil mich die Furcht vor der Antwort zur Verzweiflung brachte. Ich sah zu Zee hinunter. »Kannst du ihn finden?«
    »Sie kann es«, sagte der kleine Dämon und zeigte auf die Botin.
    Die Frau fummelte gerade an dem Stahlhalsband herum, das so schwer um ihren Hals lag, und starrte zuerst Zee und dann mich an.
    »Ja, ich könnte ihn aufspüren.«
    Ich erwiderte ihren Blick, musterte ihre schmalen Augen, die jetzt viel rücksichtsvoller waren als bei unserer ersten Begegnung, als wir noch versucht hatten, uns gegenseitig zu töten, weil sie geschickt worden war, um Jack mitzunehmen.
    Vielleicht hatte sie das ja noch immer vor. Ich traute ihr nicht. Nicht, was meinen Großvater anging, und auch nicht, was Grant betraf.
    »Bitte«, sagte ich.
    Die Botin blickte zur Seite, was es unmöglich machte, den Ausdruck in ihrem Gesicht zu lesen. »Ich werde es versuchen.«
    Urplötzlich verschwand sie, und als Folge davon flogen einzelne, lose Zettel auf den Boden. Mir platzten fast die Ohren.

    »Manchmal habe ich das Gefühl, dass ich den Verstand verliere«, sagte Grant.
    »Geht mir genauso«, murmelte ich. »Was machen wir jetzt mit Byron?«
    Er ließ sich auf einen der Stühle am Küchentisch fallen und streckte zuckend sein Bein aus. »Ich fühle mich bei dem Gedanken, ihm seine Erinnerung zurückzubringen, nicht wohl. Es könnte alles verschlimmern. Du weißt, dass das auch geschehen kann.«
    Wir könnten den Jungen wieder hinkriegen , flüsterte die Finsternis, die sich unter meiner Haut wälzte. Wir könnten das Verlorene wiederfinden .
    Ich schloss die Augen. Grant sagte: »Was ist?«
    Ich tippte mir an den Kopf. »Das Ding in mir hat noch eine Idee. Es denkt, es könnte den Jungen heilen. Aber es ist auch das gleiche Genie, das mir vorschlug, die Verbindung der Botin zu den Männern zu durchbrechen.«
    »Du hast ihre Reaktion nicht voraussehen können.«
    »Ich hätte aber wissen müssen, dass es Konsequenzen haben würde. Nichts ist umsonst, und alles hat seinen Preis. Das habe ich von dir gelernt.«
    »Du wusstest das schon, ehe wir uns kennenlernten.«
    »Wie auch immer. Ich kann Byron diesem Risiko jedenfalls nicht aussetzen.«
    »Weißt du«, sagte Grant, »als du dich nicht mehr an mich erinnern konntest, war ich so verzweifelt, dass ich jede Möglichkeit in Betracht gezogen habe, diesen Zustand zu ändern. Wenn ich in deinen Verstand hätte eindringen können, hätte ich es getan.«
    »Ich vertraue dir mehr als mir selbst.«
    »Tu das lieber nicht«, antwortete er.

    »Du hast zu viel Vertrauen zu mir.«
    »Nicht mehr als du. Andernfalls wärst du nicht in der Stadt geblieben. Du hast an etwas geglaubt, Maxine, und das war mehr als nur wir beide.«
    Ich setzte mich neben ihn. Das Knochenstück lag nahe bei meiner Hand. Ich hätte es fast berührt, aber als mir einfiel, wo es herkam, ließ ich es doch lieber.
    »Erzähl es mir«, sagte ich. »Erzähl mir, woran ich geglaubt habe.«
    Grant beugte sich vor und strich mir mit seinen Lippen über den Mund. Hitze lief mir die Kehle herunter bis in mein Herz hinein und verbreitete sich unter meiner Haut. Ich schloss die Augen.
    »Möglichkeiten«, flüsterte er. »Du hast an Möglichkeiten geglaubt. Und du tust es noch.«
    Ich atmete tief ein. Grant nahm meine rechte Hand und fuhr mit seinen Fingern über die Rüstung. »Ich spürte, wie du dich immer weiter von mir entferntest. Jack beschwerte sich darüber, dass ich mich nicht konzentrieren konnte, aber das war der Grund dafür. Ich dachte, wir würden auseinandergehen.«
    Ich zitterte und sank tiefer in mir zusammen. »Ich sah etwas ganz Schreckliches. Ich sah, was aus mir werden

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