Chroniken der Jägerin 3
hatte. Es gab eben selbst für einen Unsterblichen noch genug zu sehen und zu tun. Manchmal hielt er sogar Vorlesungen über Archäologie, und im Augenblick wünschte ich mir, ich hätte öfter daran teilgenommen.
Byron regte sich schwach, als ich ihn ablegte. Er murmelte noch immer etwas vor sich hin. Ich beugte mich vor und hielt meinen Mund ganz dicht an sein Ohr.
»Klopfe«, sagte er so leise, dass ich ihn kaum verstehen konnte. Und irgendwie dachte ich in diesem Augenblick, dass ich alles falsch verstand.
»Klopf einmal für das Licht, zweimal für den Tod, klopf dreimal, um die tote Welt zu finden … und immer viermal, um die Toten aufzuwecken.« Byron krümmte sich, Angst und Schmerzen zeichneten sich auf seiner Stirn ab. »Nein, fass mich nicht an. Bitte, bitte nicht.«
Würden wir auch nicht , versprach die Finsternis.
Sein Gesicht verzerrte sich, während er zu schluchzen begann. Ich legte mich zu ihm aufs Bett und zog ihn ganz dicht an mich heran. Grant legte seine Hand auf Byrons Kopf. Er schloss die Augen, sein Summen gewann an Form und Stärke, bis seine Stimme so tief grollte wie das Donnern einer Explosion aus dem Untergrund, so tief, dass das Einzige, was ich spüren konnte, das Beben unter meinen Füßen war. Ich beobachtete ihn, und wenn ich blinzelte, in diesen Momenten zwischen dem Blinzeln, konnte ich die Fäden, die uns verbanden und golden und heiß waren, fast sehen. Pulsierend wie ein einziger gemeinsamer Herzschlag.
Ich strich Byron die nassen Haare zurück. Der Junge rührte sich wieder, und seine Augen öffneten sich flackernd.
Zuerst sah er mich, glaube ich jedenfalls. Er schien so benommen, dass er auch genauso gut hätte blind sein können. Er blickte mich an, sah dann an mir vorbei, schaute sich aufgeregt um, bevor er den Blick wieder auf mein Gesicht richtete.
Er starrte mich an. Ich versuchte zu lächeln. »Hey.«
»Maxine«, sagte Grant. Byron sah ihn an, dann mich, hektisch und immer noch aufgeregt, und danach verzerrte er wieder das Gesicht. Dieses Mal mit einer Spur von Furcht.
»Wer bist du?«
Ich setzte mich auf, atemlos. »Byron. Ich bin es, Maxine.«
Er schüttelte den Kopf, und ich hatte das schreckliche Gefühl, dass dies meine Strafe dafür war, dass ich Grant vergessen hatte. Mein ganzes Leben lang war ich immer nur eine Fremde gewesen, eine, die niemand kannte … aber dass dieser Junge mich so ansah …
Das machte mir furchtbare Angst. Mehr als Dämonen und noch mehr als das Ende der Welt.
Grants Hand umfasste meine Schulter. Ich machte mich auf das Schlimmste gefasst. »Du kannst dich an nichts erinnern?«
»Ich weiß nicht…« Byron hielt inne und fasste sich an den Kopf. »Ich weiß es wirklich nicht. Alles ist so verschwommen.«
»Du warst nur krank«, sagte Grant, dessen Stimme Beruhigung und Kraft ausstrahlte. »Wir haben uns um dich gekümmert.«
Ich zwinkerte ihn an und ließ mich vom Bett gleiten. »Ruh dich erst mal aus, Junge. Du hast zwei schwere Tage hinter dir.«
Byrons Blick war bohrend. Ich dachte, er würde widersprechen oder versuchen wegzulaufen.
Aber Grant fing wieder zu summen an, bis der Junge kaum
noch die Augen offen halten konnte. Er verzog das Gesicht, rieb sich die Augen und fiel dann ins Bett zurück. Doch von dort aus beobachtete er uns weiter, unruhig und blass.
Ausgehöhlt , dachte ich wieder. Und seine Augen wirkten so alt.
»Ich kenne dich nicht«, murmelte er.
»Das macht nichts«, sagte ich sanft und gab mir Mühe zu lächeln. »Ruh dich nur aus.«
Grants Stimme bekam eine tiefere Tonlage. Meine Haut prickelte, und rote Augen funkelten aus den Schatten. Rohw starrte ihn traurig an, sein Blick war voller Erinnerungen. Die Jungs kannten Byron schon aus einem anderen Leben. Sie hatten nie darüber gesprochen, und wenn, dann nur bruchstückhaft und immer schmerzerfüllt.
Byron fielen die Augen zu, während sich sein Körper entspannte. Grant berührte meinen Ellbogen. Wir verließen das Zimmer. Ich schloss die Tür und krümmte mich, während ich mir die Hände vor das Gesicht hielt. Grant gab mir einen Kuss auf den Kopf. Ich wusste, dass die Botin in der Nähe stand und uns beobachtete.
»Setz dich«, sagte er.
Ich schüttelte den Kopf. »Es war schon schlimm genug, als es mir so ging, aber wenigstens konnte ich mich noch an ein paar Dinge erinnern.« Ich griff nach seiner Hand und drückte sie ganz fest. »Kannst du ihm helfen?«
»Ich weiß es nicht«, sagte er heiser. »Ich bin auch nicht sicher, ob
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