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Chroniken der Jägerin 3

Chroniken der Jägerin 3

Titel: Chroniken der Jägerin 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Liu
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meines. Sie war übersät mit Tätowierungen.
    »Du wirst mein Herz in dir tragen, wenn du mich verlässt«, sagte eine tiefe, mächtige Stimme. »Das Herz des Labyrinths. Nur du und kein anderer. Ich habe niemals einen anderen so geliebt wie dich.«
    »Dann lass mich bei dir bleiben«, sagte meine Mutter. Ihre Stimme schockierte mich. Ich hatte sie noch nie so sanft und flehend reden hören. Es machte mich verlegen, ich wollte sehen, mit wem sie sprach. Ich musste unbedingt sehen, mit wem, aber sosehr ich mich auch bemühte, die Vision blieb unverändert. Das Einzige, was ich zu sehen bekam, war meine Mutter. Aber selbst sie fing an zu verschwimmen, als wäre sie hinter einer verzerrten Linse eingeschlossen.

    »Ich wünschte, du könntest bleiben«, murmelte die tiefe Stimme, »aber ich kann die Zukunft, die ich sehe, nicht aufhalten. Du musst gehen.«
    Der Raum verblasste noch ein wenig mehr. Ich erhaschte nur einen flüchtigen Blick auf den Mann, der sich wie ein Geist bewegte, und auch von meiner Mutter sah ich kaum mehr als ihre tätowierte Gestalt, die in Schatten gehüllt war.
    Aber ich sah den Ring der Saat, den er ihr in die Hand gedrückt hatte.
    »Du weißt, wie man ihn benutzt«, sagte er leise. »Ich habe ihm die Dinge, die sie wissen muss, schon eingeprägt.«
    Meine Mutter ergriff seinen Arm. »Ich schaffe es aber nicht ohne dich. Ich habe keine Ahnung, was es heißt, Mutter zu sein. Ich kann sie nicht beschützen.«
    »Du kannst sie formen«, sagte der Mann. »Den Rest wird sie allein schaffen.«
    Meine Mutter verschwand, nicht aber der Mann.
    Zwar konnte ich ihn noch immer nicht erkennen, nicht deutlich jedenfalls, aber einen schrecklichen Augenblick lang hatte ich das Gefühl, dass er mich sah, mich suchte, indem er durch die Zeit reiste – oder was auch immer uns voneinander trennte –, um mir in die Augen zu schauen.
    »Wiedergeboren in Blut«, sagte er. »Denkt daran, beide, dass Gedanken zu Dingen werden. Das gilt für alle Lebenden, die einen Willen haben. Für euch beide ganz besonders. Ihr, die ihr geboren seid im Herzen der Quantenrose.«
    Er streckte seine Hand aus … darin lag ein Dolch.
    Den er nach unseren Köpfen warf.
    Die Klinge bohrte sich in meinen Schädel. Und in Grants. Unsere Seelen waren aneinandergespießt. Der Stahl brannte wie Feuer in meinem Hirn, darin blitzten goldgewirkte Lichtstrahlen,
Sternenlicht, Sonnenlicht, lange Schnüre geflochtener Lichtblitze, die sich in den Himmel woben, und dann … nichts.
    Ich öffnete die Augen und sah die Botin.
    Ich starrte sie an, obwohl ich sie gar nicht wirklich zu sehen vermochte, und drehte den Kopf zur Seite. Grant und ich befanden uns wie ein ineinander verschlungenes Knäuel auf dem Boden.
    Dek und Mal lagen auf uns. Zee, Rohw und Aaz hockten mit ihren besorgten roten Augen neben unseren Köpfen. Grant stöhnte kurz auf und rieb sich die Augen. Ich bewegte mich nicht. Ich konnte an nichts anderes denken als an meine Mutter und den mysteriösen Mann.
    Dein Vater, sagte die Finsternis. Dein Vater, der dir in die Augen sah und nicht zurückwich.
    Genau wie dein Lichtbringer.
    Zee ergriff mich an den Schultern und half mir auf. Rohw und Aaz taten dasselbe für Grant. Meine Handfläche schmerzte. Ich sah hin und fand den Ring der Saat in meiner geballten Faust. Die Botin bemerkte ihn ebenfalls – was ihr missfiel.
    »Unser Aetar-Meister ist uns genommen worden«, erklärte sie. Ihre Stimme klang eisig und ging mir durch und durch. Es rollte und donnerte durch mein Blut und meine Ohren.
    »Genommen«, wiederholte ich dümmlich.
    »Die Dämonen«, sagte sie erschöpft. Kerzengerade stand sie da und verschränkte ihre Hände in einem festen, knochenbrechenden Griff. »Ich habe das Quantenfeuer unseres Aetar-Meisters verfolgt und die Öffnung des Schleiers genau zu dem Zeitpunkt erreicht, als sie sein Licht in das Gefängnis brachten.«
    Jack. Mein Großvater. Er befand sich in dem Gefängnis hinter dem Schleier.
    »Mist!«, stieß ich hervor.

20
    M eine Mutter hatte mich mit Mythen und Sagen aufgezogen, mit Rätseln, die alle irgendetwas mit der Zahl Drei zu tun hatten – drei Töchter, drei Söhne – immer der dritte Pfad, das dritte Amulett. Rückblickend habe ich mich manchmal gefragt, ob sie mich damit auf meinen Großvater vorbereiten wollte, der Odin, Merlin und Puck war, jeder Weise, jeder Trickser, jeder alte Gott und Manipulator. Und selbst wenn von alldem nichts stimmte und mein Großvater nur als anonymer Zeuge

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