Chroniken der Jägerin 3
Lila und Türkis, das offenbar in der Einbuchtung einer steinernen Säule eingeschlossen war. Sogar aus der Entfernung sah ich einen Stachel, der in das Zentrum des Lichts getrieben worden war, und nahm eine tiefe Vibration in der Luft wahr. Sein Licht verdichtete sich und strömte in meine Richtung – seine Seele, sein Bewusstsein, seine Träume. Mein Großvater.
»Wegen der Aetar«, erwiderte ich. »Ja, seinetwegen bin ich hier.«
»Wirst du ihn auch retten, so wie du es mit den Menschen tust?« Ha’an drehte sich und schwang seine Faust herum, eine plötzliche, brutale Geste. Die Mahati wichen Hals über Kopf zurück und schubsten einander. Ein paar von ihnen hatten Kinder auf dem Arm. Sie öffneten uns einen großen Halbkreis, gewährten uns ein wenig Privatsphäre.
Rohw und Aaz beschnüffelten den Sand an der Säule und umkreisten sie einmal ganz, bevor sie zu mir zurückkehrten. Zee blieb in meiner Nähe, und Dek hielt sich sehr ruhig, während uns Ha’an mit einem unergründlichen Ausdruck beobachtete.
»Worauf läuft das alles hinaus?«, fragte er.
Ich betrachtete ihn und alle, die ihn umringten: die Mahati. Sie waren eigenartig und gefährlich, hatten scharfe Finger, ihnen fehlten Gliedmaßen, wobei sie Ketten trugen, die in der purpurnen Luft wie Silberglöckchen klingelten. Ich sah in ihre Augen, all diese leuchtenden, schwarzen Augen, die mich mit einer Mischung aus Furcht, Hoffnung und Misstrauen anstarrten. Und aus meinem Herzen stieg ein großer Schmerz empor, der aber nichts mit der Finsternis zu tun hatte, obwohl sie sich um es herumgeschlungen hatte, als wollte sie die Wunde versorgen.
»Ich will nicht dein Feind sein«, erklärte ich Ha’an. »Aber ich kann dir auch nicht das geben, was du brauchst.«
Noch nicht , raunte die Finsternis in mir.
Ha’an neigte den Kopf. In seinen Augen brannte der Zorn, aber nicht nur der Zorn, sondern auch noch etwas anderes, etwas Tieferes, Nachdenklicheres.
»Ihr spielt mit unseren Leben. Nicht nur mit unseren Mägen, sondern auch mit unseren Leben. Wir, die wir hier im Schleier eingeschlossen sind, gehören nicht einem einzigen Volk an. Wir sind unterschiedliche Arten, und wegen dieser Unterschiede gibt es Kriege zwischen uns. Als wir uns zusammengeschlossen haben, um unser Überleben zu sichern – und als wir unser Leben der Armee weihten, da war es nur die Macht der Schlächterkönige, die uns daran hinderte, einander gegenseitig an die Gurgel zu springen.«
Ich sah zu Zee und den Jungs hinunter, die Ha’an mit so viel Bedauern, mit so vielen traurigen Erinnerungen betrachteten, dass ich sie wie einen Traum an den Rändern meiner Wahrnehmung schmecken und fühlen zu können glaubte.
Ihre Erinnerungen, unsere Erinnerungen, eure Erinnerungen ,
sagte die Finsternis. So verzweifelt waren sie, dass sie uns das Tor öffneten, um unsere Kraft zu nutzen. Und wir kamen mit festen Absichten und einem großen Verlangen zu den Schlächtern. Wir halfen ihnen, die Clans zusammenzurufen, und zwangen sie, sich zu verbünden, bevor sich der Krieg ausweitete und all ihre Leben an die Schatten verloren gegangen wären.
Aber um welchen Preis?, fragte ich nach und überlegte, welcher Feind wohl so furchtbar sein konnte, dass es ihm gelang, die Jungs einzuschüchtern; meine Jungs, die Jungs, die ich doch so gut kannte. Die Avatare konnten es sicher nicht. Was habt ihr verlangt?
Die Finsternis antwortete nicht. Ich erschauderte und hörte Ha’an sagen: »Der Schleier wird schwächer, überall, all die Mauern, die die Mahati von den Shurik, den Yor’ana und den Osul trennen. Ich habe es dir schon vorhergesagt. Meine Leute sind zu schwach, um ihnen Widerstand zu leisten. Sie werden uns versklaven.«
Er kauerte sich vor Zee hin und zog seine langen Finger über den Stein. »Verstehst du? Vielleicht bist du ja nicht mehr der Wirt, aber du und deine Brüder, ihr seid immer noch Könige. Unsere Könige.«
»Ein anderes Leben«, schnarrte Zee. »Ein anderer Traum.«
Auch ich kauerte mich hin und zog meine silbernen, gerüsteten Finger über den Boden, die im roten Licht glänzten, als wären sie in metallisches Blut getaucht worden.
»Aber es stehen noch andere Leben auf dem Spiel«, erklärte ich ihm. »Leben, für die ich verantwortlich bin.«
Verantwortlich für Leute, die dich nicht kennen und denen es gleich ist, ob du existierst. Milliarden von Menschen, die die Macht nicht erkennen, über die du verfügst, und die nicht wissen, was du opferst. Den Mahati
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