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Chroniken der Jägerin 3

Chroniken der Jägerin 3

Titel: Chroniken der Jägerin 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Liu
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war, dass ich mich fragte, was zur Hölle ich ihm wohl angetan haben mochte. »Immer gibst du erst mal dir selbst die Schuld an allem Möglichen und denkst nur das Schlimmste von dir.«
    »Ich bin eine Mörderin«, hörte ich mich sagen, obwohl ich eigentlich gar nicht vorhatte zu sprechen. »Wenn Sie mich kennen …«
    »Ich kenne dich«, sagte er mit rauer Stimme, »ich kenne dich, Maxine.«

    Als er sich vor mir aufbaute, wich ich nicht von der Stelle und spürte, wie ein Strom von Wärme von seinem Körper auf meinen überschwappte. Ich roch Zimt und andere heimelige Dinge. Ich dachte unwillkürlich an Sonnenlicht und Feuer.
    Er trat noch näher an mich heran und sah mich intensiv an. Ich verstand nicht, warum mich das so verunsicherte. Andere Blicke anderer Männer stiegen in meiner Erinnerung hoch, wahnsinnnige, blutrünstige, hinterhältige und kalte Blicke, aber keiner von ihnen brannte sich so in mich ein wie der dieses Mannes.
    Er hatte allerdings recht: Ich war eine Lügnerin. Er machte mir Angst. Ich war zwar eine starke Frau, jedoch nicht, wenn es um mein Herz ging.
    »Wollen Sie etwas sagen, oder wollen Sie mich nur ansehen?«, fragte ich, unfähig, mehr als nur ein Flüstern hervorzubringen. »Mein Großvater ist tot. Sie stehen in seinem Blut.«
    »Jack ist nicht tot, und du warst es nicht, die seinen Wirtskörper umgebracht hat. Darauf würde ich mein Leben verwetten.« Er suchte nach Antworten in meinem Gesicht. »An was kannst du dich überhaupt noch erinnern? Du weißt doch, dass Jack nicht wirklich …«
    »Ein Mensch ist? Ja.«
    »Und du weißt auch, wo du hier bist?«
    »Im Coop«, antwortete ich sehr langsam, weil ich spürte, worauf er hinauswollte – und mich davor fürchtete.
    Der Mann lehnte sich zurück und runzelte die Stirn. »Warum lebst du hier? Und mit wem?«
    Ich schluckte und zeigte auf Jacks Leiche. »Wechseln Sie nicht das Thema.«
    »Dein Gedächtnis ist Thema.«
    »Ich könnte Sie niemals lieben«, sagte ich.
    Er stützte sich auf seinen Stock und schwieg. Ich biss mir auf
die Zunge und hasste mich selbst für diesen Satz. Ich drehte mich wieder zu Jack herum. Aber ich sah nicht mehr, als ich bereits wahrgenommen hatte: die durchgeschnittene Kehle und seine ordentliche Kleidung. Männer, die um ihr Leben gekämpft hatten, zerrissen dabei meistens etwas oder sahen auf eine andere Art und Weise ramponiert aus. Jack jedoch nicht. Ich kniete in seinem Blut und nahm seine Hand. Die Haut wurde schon kalt. Sein Körper wirkte fast bereits wie eine Hülle, eine Wachsfigur. Absolut unwirklich.
    Unter seinen Fingernägeln war zwar Blut, aber es schien sein eigenes zu sein. Ich war mir allerdings nicht ganz sicher. Schließlich hob ich das Messer auf. Die Jungs leckten das Blut von der Klinge, bis das Metall im Lampenlicht glitzerte.
    »Lag er genau so da, als du ihn gefunden hast?«, erkundigte sich der Mann mit leiser, rauer Stimme – dabei vielleicht ein wenig zu gelassen.
    Ich zögerte. »Er lag auf der Seite.«
    »Es ist kein einziges Möbelstück umgestoßen worden, und er sieht auch nicht aus, als hätte er sich gewehrt.«
    »Oder er hatte keine Zeit, sich zu wehren.«
    »Vielleicht hast du ihn nur tot aufgefunden. Vielleicht sind dir deine Erinnerungen danach … gestohlen … worden. Es wäre nicht das erste Mal.«
    Ich stand auf, um mich dem penetranten Blick des Mannes zu entziehen, und fragte mich, wie viel ich ihm sagen sollte. Eigentlich kam es mir jedoch so vor, als wüsste er ohnehin schon alles. Ich dachte wieder an die Jungs, und daran, wie Rohw und Aaz sich an die Beine des Mannes geklammert und ihre Gesichter in seinen Knien vergraben hatten. Ich zwang mich, ihn anzusehen. Ihn wirklich anzusehen.
    Er hatte diese Wildheit in seinem Blick schon gehabt, als
ich ihn zum ersten Mal gesehen hatte, und er besaß sie auch jetzt noch, aber etwas gezügelter und von einer Art dumpfem Schmerz gezeichnet, der tiefe Schatten auf seinem Gesicht hinterlassen hatte. Er war kein schöner Mann, aber ein ansehnlicher. Er sah aus, als könnte er etwas auf die Beine stellen. Nichts an ihm war hinterhältig, alles wirkte einfach nur… geradeheraus. Und zwar auf eine sehr kompromisslose Art und Weise, nach der Entschlossenheit in seinem Blick zu schließen.
    »Sie haben recht«, sagte ich, »meine Mutter hat mir, als ich acht Jahre alt war, schon einmal meine Erinnerungen geraubt. Später kamen sie wieder zurück. Ich weiß, dass auch Zee Erinnerungen auszulöschen vermag. Er hat

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