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Chroniken der Jägerin 3

Chroniken der Jägerin 3

Titel: Chroniken der Jägerin 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Liu
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meinem Bauch. Es war, als würde ich das Leben einer anderen Maxine Kiss betrachten. Dann gäbe es eine andere Frau mit meinem Gesicht und meinem Blut, die ein Leben führte, das ich mir für mich selbst niemals erträumt hätte. Ich erinnerte mich, wie ich in jenem seltsamen Leben mit seltsamen Freunden und den Jungs am Tisch gesessen hatte … wir alle zusammen, ohne Geheimnisse voreinander, mit viel Gelächter –
und so glücklich, dass es unter die Haut ging. Unter einem Dach, das … mir gehörte?
    »Maxine«, sagte der Mann ruhig.
    Ich blieb noch einen Augenblick sitzen, bis ich zu einem Entschluss gekommen war. Schließlich stand ich langsam auf, ignorierte seine ausgestreckte Hand, die aus einer Schnittverletzung blutete. Das Blut war mir gleich, aber ich fürchtete mich davor, ihn zu berühren, so wie ich mich davor fürchtete, ihm in die Augen zu sehen. Gebt mir einen Dämon, um ihn zu töten, aber nicht diesen. Gebt mir einen Krieg, aber nicht diesen.
    Grant hatte Zee ihn genannt. Sein Name war also Grant.
    Ich zwang mich dazu, seinem Blick standzuhalten. Das war ein Fehler. Ich fühlte mich nackt, als er mich angesehen hatte … entkleidet bis auf Muskeln und Knochen, schien nur noch aus meinem kranken, dröhnenden Herz zu bestehen, das hinter den Rippen zitterte. Er sah mich lediglich an, aber das genügte schon, damit ein Teil von mir zerbrach, der auf keinen Fall zerbrechen durfte. Nicht jetzt.
    »Du kannst dich wirklich nicht an mich erinnern?«, fragte er. In seiner leisen, tiefen Stimme schienen alle Arten von Schmerzen mitzuklingen.
    Ich schüttelte den Kopf. »Kein bisschen.«
    Er rang nach Luft, als hätte ich ihn geschlagen. »Du liebst mich.«
    Sie sind wohl verrückt! , hätte ich beinahe geschrien.
    Aber ich sagte nichts. Mein Mund blieb verschlossen.
    Denn nur sein Blick, mit dem er mich musterte, und die Art, wie sich die Jungs in seiner Nähe benahmen, machten mir klar, dass er die Wahrheit sagte.
    Ich hatte diesen Mann geliebt.
    Und jetzt tat ich es nicht mehr.

3
    I ch wich vor ihm zurück und fühlte mich in die Enge getrieben, obwohl das Zimmer riesig war. Dabei trat ich mit dem Absatz meiner Schuhe in das Blut.
    »Lauf nicht weg vor mir«, sagte er. »Ich bin der Letzte, vor dem du dich fürchten musst.«
    »Ich fürchte mich nicht.«
    Er lächelte, aber sein Lächeln wirkte angespannt und traurig, auch ein wenig verbittert. »Lügnerin.«
    Ich drehte mich von ihm weg und warf einen Blick zu Jacks Leiche hinüber. Ich tat so, als betrachte ich den Leichnam, aber eigentlich versuchte ich nur, ein wenig Zeit zu schinden, um meine Nerven wieder zu beruhigen.
    Lügen haben kurze Beine.
    Ich konnte mich nicht an diesen Mann erinnern, ganz gleich, wie fest die Jungs seine Beine auch umklammerten. Ich kannte ihn nicht, auch wenn er mich anstarrte, als gehörte ich ihm. Als wäre ich sein Eigentum, auf jene geheimnisvolle Art sein Eigentum, die mit Händchenhalten zu tun hatte, mit nackter Haut und damit, seinen Atem zu teilen.
    Herrgott, es reicht jetzt. Du bist schließlich eine Kämpferin.
    Also kämpfe!
    Ich atmete tief durch und konzentrierte mich auf Jack. Das
Gefühl war schlimmer als das, in einer Achterbahn zu fahren. In meinem Kopf drehte sich alles. Mein Magen verkrampfte sich und drückte seinen Inhalt meine Speiseröhre hinauf, wie bei einem Betrunkenen, der die Kontrolle über sich verloren hat. Ich würgte alles wieder hinunter und versuchte mir nichts anmerken zu lassen. Genauso unterdrückte ich den Schmerz und den Widerwillen, Jacks wachsbleiches Gesicht anzuschauen.
    Seine durchgeschnittene Kehle hatte ich ja schon gesehen. Nun musterte ich seinen Körper auf der Suche nach irgendetwas anderem, aber ich war kein besonders guter Detektiv. Was Feinheiten betraf, so konnte ich mich normalerweise auf die Jungs verlassen. Aber das würde noch bis zum Abend warten müssen.
    Du Idiot. Du hättest sie Witterung aufnehmen lassen sollen.
    Vielleicht hatten sie das schon von sich aus getan. Vielleicht gab es aber einfach keine. Vielleicht war ja auch etwas schiefgelaufen. Oder stimmte nicht. Und zwar mit mir .
    »Du schießt weit über das Ziel hinaus, wenn du dir jetzt selbst die Schuld an allem gibst oder auch nur darüber nachdenkst«, sagte der Mann, der hinter mir stand.
    Ich erstarrte und drehte dann langsam meinen Kopf zu ihm herum. »Was haben Sie gesagt?«
    »Du hast mich genau verstanden.« Der Mann humpelte mit einem Gesichtsausdruck auf mich zu, der so hart und kalt

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