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Chroniken der Jägerin 3

Chroniken der Jägerin 3

Titel: Chroniken der Jägerin 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Liu
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erwachsen genug ist, um uns ein paar Antworten zu geben.«

    Ich knurrte und bedeutete ihm mit einer Handbewegung, den Raum zu verlassen. Aber er sah mich nur an und humpelte zum Bett. Er setzte sich auf die Kante und wartete.
    Am liebsten hätte ich gegen sein krankes Bein getreten. Das Bett und die Art, wie er darauf saß, erinnerte mich an eine Bärenfalle. Einmal war ich in Alaska während der Tageslichtstunden in eine dieser Fallen geraten. Ihre Metallzähne waren zwar an meinen Beinen zerbrochen, aber es war mir trotzdem unglaublich schwergefallen, mich aus ihrem Griff zu befreien.
    Allerdings hatte es damals nicht nach Sex gerochen.
    Ich setzte mich nicht neben ihn. Ich öffnete den Verbandskasten, legte ihn aufs Bett und fand Verbandsmaterial und Salbe. Der Mann hörte nicht auf, mich anzustarren. Ich hasste es. Ich wusste nicht einmal, warum ich das tat, ich fühlte nur, dass ich es hassen sollte.
    »Geben Sie mir Ihre Hand«, murmelte ich.
    »Nimm sie dir doch«, antwortete er, während er noch immer seine Faust gegen seinen Magen presste. Die Vorderseite seines Hemdes war blutig.
    »Spielen Sie keine Spielchen mit mir!«
    Er schüttelte den Kopf, ohne dabei seinen Blick von mir abzuwenden. »Das ist kein Spiel.«
    »Davon, dass ich Sie anfasse, wird mein Gedächtnis bestimmt nicht zurückkommen.«
    Sein Mundwinkel verzog sich zu diesem bitteren Lächeln. »Nimm meine Hand, Maxine. Oder verzieh dich!«
    Oder ich schlag dich , dachte ich.
    Ich nahm sein Handgelenk. Meine tätowierten Finger wirkten schlank und schmal: verglichen mit den knochigen Muskeln seines Unterarms, geradezu weiblich. Das war ein Wort, mit dem ich mich normalerweise niemals selbst beschrieben
hätte. Außerdem überraschte es mich, dass ich die Wärme spürte, die von seinem Arm ausging. Normalerweise sorgten die Jungs dafür, dass ich am Tage desensibilisiert war, und darum, außer im Gesicht oder über den Atem, gar nicht imstande war, Hitze oder Kälte zu empfinden.
    Ich konnte mich an diesen Mann nicht erinnern. Ich konnte mich nicht einmal daran erinnern, überhaupt jemals einen Mann berührt zu haben, außer vielleicht bei einem Exorzismus. Ich hatte nicht die geringste Ahnung, wie man behutsam war.
    Doch er zuckte zusammen – und ich merkte, wie ich es wenigstens versuchte. Ich lockerte meinen Griff und zog seine Hand vorsichtig von seinem Bauch. Seine Finger waren noch immer über seine blutende Handfläche gekrümmt, und ich schob meine Hand darunter, meine kleine Hand, die im Vergleich zu seiner einfach winzig war, und bog die Finger vorsichtig auf, einen nach dem anderen.
    Das hätte er auch allein tun können. Er hatte mir schon vorher seine Hilfe angeboten, als ich hatte aufstehen wollen. Dies hier war wohl ein Test. Er beobachtete mein Gesicht und stöhnte nur noch ein einziges Mal, als ich sagte: »Sie sind ein Manipulator.«
    »Vielleicht«, stimmte er mir nach einer Weile zu.
    Mehr sagte er nicht, als ich seine zerschnittene Hand verband. Durch das viele Blut sah die Verletzung schlimmer aus, als sie eigentlich war. Eigentlich waren es nur oberflächliche Schnittwunden, die später allerdings höllisch wehtun würden. Ich hatte zwar keine große Erfahrung damit, Leute zusammenzuflicken, aber ich fand doch, dass ich das ganz passabel hinbekommen hatte.
    »Ich spüre meine Finger nicht mehr«, bemerkte er. »Ich hoffe, sie sind noch dran.«

    »Jammerlappen«, murmelte ich und sah ihm zu, wie er versuchte, die Finger zu strecken. Viel Erfolg hatte er damit nicht. Ich hatte den Verband fester als einen Schildkrötenpanzer um seine Hand gewickelt.
    Dann warf ich die leeren Verbandsverpackungen auf den Boden. Die Jungs würden sie später fressen; der Gedanke schoss mir so selbstverständlich durch den Kopf, dass ich fast nicht mitbekommen hätte, wie merkwürdig es eigentlich war, so etwas überhaupt zu denken. Ziemlich beunruhigend. Ich machte mir noch einmal klar, dass dies mein Zuhause war. Sogar die Jungs behandelten es so. Ich sah ihr Spielzeug auf dem Boden liegen: angefressene Teddybären, Rasierklingen, Playboyhefte. Und in der Ecke stand ein lebensgroßer Pappaufsteller von Bon Jovi, sogar mit richtigen Haaren. Ich zeigte darauf: »Das da ist neu.«
    »Zee hat es mit deiner Kreditkarte bezahlt«, antwortete der Mann. »Erinnerst du dich?«
    »Ja«, sagte ich langsam und dachte nach. »Jetzt erinnere ich mich. Es kam gestern Morgen, dabei hatte ich gar nichts erwartet.« Ich sah ihn an. Diesmal hielt ich seinem

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