Chroniken der Jägerin 3
klemme elektrischer Strom meine Muskeln ein. Ich nahm meine Finger vom Lenkrad und setzte mich auf die Hand, um sie so ruhig wie möglich zu halten. Grant sah mir dabei zu, sagte aber nichts.
Ich fuhr um die Ecke und sah unser Heim. Das Obdachlosenheim und der gesamte Block der Lagerhallen waren von Feuerwehrautos und Krankenwagen umstellt. Ein riesiges Areal.
Und es brannte. Aber nur der zweite Gebäudeflügel. Die Etage mit den Wohnungen. Wo Byron wohnte.
Ich stieg in die Eisen. Grant flog nach vorn in seinen Sicherheitsgurt und stützte sich am Armaturenbrett ab. Mir war nicht mal bewusst, ob ich den Park-Gang einlegte; es war mir auch völlig gleichgültig. Ich war ja längst schon draußen und rannte los.
Auf dem Bürgersteig und im Garten hatte sich eine Menge von Freiwilligen und Obdachlosen angesammelt, die sich gegenseitig zu beruhigen versuchten. Feuerwehrleute waren dabei, das Gelände abzusperren. Ich drängelte mich zwischen allen hindurch und ignorierte die Rufe und Schreie. Kurz bevor ich das Gebäude betrat, blickte ich noch hoch und sah den Rauch, der tiefschwarz aus den Fenstern zog, von denen eines bereits nach außen explodiert war. Es sah aus, als hätte jemand eine Bombe gezündet.
Dann war ich drin. In dem Treppenhaus, das nach unten führte, hing zwar Rauch, aber die Sicht war noch immer einigermaßen klar. Ich lief an Feuerwehrmännern mit Masken vorbei, von denen mehrere versuchten, mich aufzuhalten. Doch ich schaffte es, mich loszureißen, und schlug einem von ihnen, der einfach zu hartnäckig war, so hart mit der Faust gegen den Kopf, dass seine Maske zerbrach und er mit Schwung gegen die Wand flog. Ich war nicht zu stoppen, sondern rannte die Stufen hinauf, wo es von all dem Rauch und der Asche so heiß und nebelig war, dass es mir vorkam, als würde ich in eine andere Welt eintreten. Meine Augen und Lungen brannten.
Allerdings nur kurz, denn die Jungs legten sich über mein Gesicht, den Mund und dann auch über meine Nasenlöcher. Es war ein merkwürdiges Gefühl, so als würde ich ertrinken. Auf der Treppe stolperte ich dann, geriet in Panik und berührte meinen Mund. Ich fühlte nur weiche Haut, fasste mir an die Nasenlöcher und merkte, dass sie weg waren. Als ich blinzelte, fühlten sich meine Augen geschwollen und schwer an. Die Welt verdunkelte sich und trug einen Schleier aus Silber und Perlmutt.
Als ich atmete, füllte sich meine Lunge mit Luft. Es schmeckte so warm wie Schwefel, und die Jungs atmeten für mich. Sie hatten mich schon einmal auf die gleiche Art vor dem Ertrinken gerettet. Wahrscheinlich hatten sie meine Großmutter genauso vor dem Untergang bewahrt. Sie befand sich damals in Hiroshima, als die Bombe fiel. Im Inferno verloren, sah sie zu, wie Körper zu Asche wurden.
Ich fühlte die Hitze gar nicht, sondern erreichte die zweite Etage und sah, wie die Flammen die Wände und Decke erklommen und wie sie in leuchtenden Wellen über den Teppich fegten. Dann rannte ich durch das Feuer, meine Kleidung fing
an zu brennen. Meine Haare auch. Ich fühlte, wie sie mir verbrannten, als ich durch die dichten Flammenwände stieg.
Ich achtete auf die Löcher im Boden, während ich zu Byrons Zimmer raste. Der Rauch war dicht und nahm mir die Sicht, aber die Jungs waren nicht zu bändigen und zogen mich mit ihren eigenen, treffsicheren Instinkten vorwärts. Hinter meinem Herzen wütete die Finsternis, eine Kreatur, die ausbrechen wollte. Aber ich schlug sie rücksichtslos nieder und lauschte nach Schreien oder Hilferufen aus den angrenzenden Zimmern, hörte aber nichts.
Vor Byrons Raum fand ich eine Leiche.
Dieser Mann war eines der wenigen … Dinge, die hier nicht vollständig in Flammen standen. Genauer gesagt sah es so aus, als wäre er an einer Rauchvergiftung gestorben. Ich konnte sein Gesicht nicht erkennen. Er war blass, gut gebaut, und das, was von seiner Kleidung übrig geblieben war, sah wie die Art von Leinen aus, die diese Hippie-Waldschrate aus Seattle immer trugen, wenn sie sich als Yogis ausgaben. Seine Kleidung brannte teilweise, aber nur leicht, so als wenn irgendetwas in dem Stoff die Flammen eindämmte.
Er sah so friedlich aus, dass es mir Angst machte.
Byrons Tür stand einen Spaltweit offen. Ich stieg über den Körper hinweg und stieß sie ganz auf. Außer Feuer und Rauch konnte ich nichts sehen, aber … wenn er hier war, wenn er es nicht geschafft hatte rauszukommen …
Sein Bett war leer. Es stand zwar in Flammen, aber es war eindeutig
Weitere Kostenlose Bücher