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Chroniken der Jägerin 3

Chroniken der Jägerin 3

Titel: Chroniken der Jägerin 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Liu
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las ich einmal etwas über Duke Ellington und Jean Sibelius und habe dabei Farben in den Noten und Melodien gesehen. »Wenn ich also diese Folie zerknülle …«
    »Sehe ich Blitze in hellem Orange. Das Geräusch von Regen sieht aus wie dunkle, silberne Perlen. Ein laufender Motor lässt mich ein düsteres Kieselgrau sehen, das an Zähne erinnert, und wenn ich Bohemian Rhapsody höre, bin ich von einem Regenbogen aus Lila- und Rottönen umgeben, die immer intensiver werden und dann wie heißes Wachs miteinander verschmelzen.«
    »Und wenn ich spreche?«
    »Dann sehe ich Licht«, sagte er. Und es überraschte mich, dass seine Augen dabei fast ein wenig zu hell strahlten. Sie waren gerötet, von ihnen ging Hitze aus … »Ich sehe Licht, Maxine.«
    Ich zwang mich zu atmen. »Und?«
    »Ich sehe nicht nur Geräusche. Ich sehe auch Energie. Die Auren der Menschen um mich herum.« Grant wandte sich ab
und starrte auf den angebissenen Eiscremeriegel in seiner anderen Hand. »Ich kann diese Aura verändern. Ich kann sie manipulieren.«
    Ich spürte die Hamburger, die mir schwer im Magen lagen. »Was bedeutet das?«
    Grant nahm den Eisbeutel von seinem Kopf und steckte den Rest seines Eises hinein. »Ich kann Menschen lenken. Sie ganz und gar verändern, einschließlich ihrer Seelen. Und nicht nur Menschen.«
    »Auch Dämonen.«
    »Jedes Lebewesen.«
    »Mich auch?«
    »Du allerdings bist immun. Ich weiß nicht genau, aber wahrscheinlich bist du die Einzige. Und selbst wenn du es nicht wärst …« Grant verstummte, die Stille war lang und tief, und ich war den Jungs auf meiner Haut herzlich dankbar dafür, dass ihre Herzen im gleichen Takt mit meinem schlugen.
    »Ich würde dir nicht wehtun«, flüsterte er, »aber es gibt Grenzen, Maxine, die ich übertreten könnte, und manchmal denke ich, dass ich das auch schon getan habe.«
    Ich hob den Müll um mich herum auf, Grant reichte mir die Plastiktüte. Ich stieg aus und warf alles zusammen weg. Ich atmete lange und tief durch, obwohl die Luft nach Erschöpfung schmeckte. In der Ferne hörte ich Sirenen. Zee zupfte an mir, nur einmal, da krümmte sich die Rüstung auf meiner Haut. Es war ein sehr heftiges Rucken, so als versuche sie, sich von mir loszureißen. Ich presste mir die Hand auf den Magen und atmete durch die zusammengebissenen Zähne.
    Es war wieder so weit. Ich riss mir den Handschuh herunter. Die Oberfläche der Rüstung bewegte sich und glänzte, und die eingeätzten Knoten und Rosen sickerten in das organische
Metall wie Blütenblätter und Fasern, die man auf eine Wasseroberfläche streute. Mir blieb die Luft weg, und ich war erst wieder in der Lage zu atmen, als sich die Rüstung ganz plötzlich beruhigte.
    Ich glitt wieder in den Wagen. Grants finsterer Blick vertiefte sich. »Was ist los?«
    »Jetzt bist du also auch noch Gedankenleser?«
    »Ich kenne dich.«
    »Scheint so, ja«, sagte ich leise und ergriff mit zitternden Händen das Lenkrad. »Schnall dich an. Wir stecken in Schwierigkeiten.«

    Wir fuhren zum Coop zurück und hörten die Sirenen schon lange, bevor wir sie sehen konnten. Ich redete mir ein, dass es mit dem Leichnam in meinem Apartment nichts zu tun hatte, aber ich dachte bereits über neue Decknamen für Grant und Byron nach. Und auch für Mary. Wir würden einfach nach Texas gehen, dachte ich. Zurück zu der alten Farm, dorthin, wo meine Mutter begraben lag. Vielleicht fuhren wir aber auch nach Chicago oder New York. Da hatte ich ein paar Wohnungen, die ich geerbt hatte, und in denen Geld, Waffen und Ausweise versteckt waren. Eben alles, was eine Frau so brauchte, um neu anzufangen.
    Ich wunderte mich nicht, warum ich Grant in diese Gedanken einbezog, und rechtfertigte es vor mir damit, dass ich eben das Geheimnis, das ihn umgab, noch nicht ergründet hatte, unser Geheimnis, das Wer und Was und Warum . Ja, so musste es wohl sein.
    Es regnete heftig, und der Himmel war dunkel, darum sahen wir den Rauch auch erst so spät.

    Aber das war gar nicht nötig. Ein Krankenwagen raste, gefolgt von zwei Feuerwehrwagen, quer über die Kreuzung, die vor uns lag. Grant, der angespannt durch die Windschutzscheibe starrte, lehnte sich so weit nach vorn, dass er mit der Nase an das Armaturenbrett stieß. Zee krallte sich noch heftiger an meine Haut, während sich die Rüstung erst heiß und dann eiskalt anfühlte. Danach pulsierte sie wie Herzschläge, was dazu führte, dass meine rechte Hand völlig unkontrollierbar zuckte. Es fühlte sich an, als

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