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Chroniken der Jägerin 3

Chroniken der Jägerin 3

Titel: Chroniken der Jägerin 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Liu
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wie ein Herzschlag, aber wie ein tausend Jahre andauernder Herzschlag. Und in der Zeit dazwischen fühlte ich mich mit dem alten Horror konfrontiert: für immer in der Finsternis verloren zu sein, keinen Körper, kein Herz, keinen Boden unter den Füßen zu haben. Und das Einzige, was ich fühlen konnte, waren die Jungs auf meiner Haut, die Jungs, die meine Leere umhüllten und meinen Verstand.
    Und die jetzt kreischten.
    Ausgespuckt wurden wir in einem anderen Teil des Coop, in einer Halle in der Nähe des Eingangs, wo Kinder die Wände mit Regenbogen und Schlössern bemalt hatten. Wir schlitterten über den Boden, dann rollte ich von dem Mann herunter. Abgesehen von den Überresten meiner Cowboystiefel, deren Leder noch immer brannte, war ich völlig nackt. Der gelbe Anzug des Mannes qualmte. Er krabbelte rückwärts und starrte mich dabei völlig erschrocken an.

    Ich konnte ihm nicht mal sagen, dass bald alles wieder gut sein würde.
    Ich rammte meine gerüstete Faust in den Boden und dachte an Byron, Jack und Grant.
    Dann war ich verschwunden.

8
    Z auberei gibt es nicht.
    Wunder vielleicht, aber keine Zauberei.
    Arthur C. Clarke hat es am besten formuliert. Er meinte, dass sich jede fortgeschrittene Technologie nicht von Zauberei unterscheiden ließe. Für einen Höhlenmenschen wären solche Dinge wie Streichhölzer, Spiegel und selbst ein Magnet – die er zwar hätte benutzen können, jedoch ohne zu verstehen, was das für Gegenstände waren und warum sie funktionierten – nichts als Voodoo. Vielleicht waren es auch Geschenke der Götter oder Erfindungen von Geistern und Blitzen oder von den Gespenstern blutiger Vorfahren.
    Genauso gut könnte ich auch ein Höhlenmensch sein, ein Neandertaler oder sogar oder eine Schnecke, die aus dem Meer kriecht. Meine Rüstung war mir weit voraus, ein Gegenstand aus einer anderen Welt, wo die Realität von den Fähigkeiten bestimmt wurde, den Träumen und der Macht des freien Willens. Sie war ein Schlüssel, dem nicht einmal die Zeit etwas anhaben konnte.
    Und sie gehörte mir. War mein Besitz, bis ich eines Tages stürbe.
    Gott möge uns allen gnädig sein.

    Als ich wieder in diese Welt eintrat, fand ich mich in der Wohnung. Überall waren Bücher und blanke Ziegelwände. Auf dem Boden lag mein Großvater unter einem blutbefleckten Laken.
    Ich war nicht allein.
    Als Erstes sah ich Mary. Sie stand neben dem Sofa und trug einen mit Sonnenblumen und Schmetterlingen bestickten Hausanzug. Um die Taille hatte sie sich einen alten Ledergürtel gezurrt. Ihre Arme und Füße waren nackt und von dunklen Adern bedeckt, die sich spinnennetzartig ausbreiteten. Alte Narben bedeckten ihre sehnigen Arme. Ihr dichtes, struppiges, graues Haar stand wild von ihrem Kopf ab. Mit jeder Hand umklammerte sie ein Schlachtermesser. Regungslos stand sie da und beobachtete die Frau aus dem Feuer.
    Auch ich beobachtete sie. Die Frau kniete neben Jacks verdecktem Leichnam und beugte den Kopf so tief herab, dass ihre Stirn den blutverschmierten Boden beinahe berührte.
    Ihre Handflächen lagen glatt und ruhig auf dem Boden, während ihr Rücken einen perfekten Bogen formte. Falls sie am Leben war, schien sie jedenfalls eine sehr lange Erfahrung zu haben, auf irgendwelchen Fußböden zu knien.
    Ich sah mich um, konnte Byron aber nirgendwo entdecken.
    Marys Blick zuckte zur Seite, als ich mich zu ihr gesellte. Stumm musterte sie mein Gesicht. Dabei zeigte sie keine Spur von Überraschung oder gar Erschrecken – nur die Falten um ihre Augen wirkten ein kleines bisschen schärfer.
    Ich berührte meinen Mund und spürte nur Haut. Keine Lippen, keine Nasenlöcher; nur meine Zunge konnte ich spüren, die in meinem verschlossenen Mund eingesperrt war und nach Schwefel und Blut schmeckte.
    Mary hielt mir eines ihrer Messer hin, aber ich schüttelte den Kopf.

    Vielleicht hatte sie unsere Bewegungen wahrgenommen, vielleicht auch nicht, jedenfalls rührte sich die Frau endlich und setzte sich langsam auf. Sie schaute nicht zu uns herüber, stattdessen wanderte ihr Blick himmelwärts durch die Decke, ihre Lider flatterten, und ihr Mund bewegte sich zu einem stummen Gebet.
    Nicht menschlich , dachte ich, als ich sie besser sehen konnte. Sie war nicht menschlich; das zeigte sich an vielen Kleinigkeiten: an der Länge ihres Halses, daran, wie klein ihre Augen waren, und auch an dem scharfen Winkel ihrer Wangenknochen. Zwar schien sie eine Frau zu sein, aber es war schwer, ihr Geschlecht mit Sicherheit zu

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