Chroniken der Jägerin 3
Dinge, die du wissen solltest, falls diese Begegnung schlecht ausgeht. Jetzt muss ich dir alles noch einmal erzählen.«
Etwas in seiner Stimme machte mir Angst. Ich konnte nicht einmal schlucken. Grant fragte: »Was ist los, Jack?«
»Die Wahrheit über Maxine. Wer sie wirklich ist.« Mein Großvater sah von ihm zu mir herüber. »Weil ich dich liebe, Kleines. Ich hätte deine Großmutter nicht lieben sollen, aber ich habe es getan. Ich hätte die Tochter, die ich mit ihr hatte, nicht lieben sollen, aber ich tat es. Von ganzem Herzen sogar. Genauso wie ich dich liebe. Bitte vergiss das nicht.«
Zee veranstaltete jetzt einen mächtigen Aufruhr. Alle Jungs waren förmlich außer sich. Selbst die Fingerrüstung kribbelte. Ich ballte meine Hand zur Faust und presste sie hart gegen meinen Bauch. Die Jungs erwiderten den Druck.
Jack sagte: »Die anderen sollten dich vielleicht festbinden. Seile sind nicht stark genug. Ketten zwar auch nicht, aber einen Versuch wäre es wert.«
Grant knurrte leise. Ich sah Jack nur vollkommen starr an.
Mein Großvater warf uns einen schweren, unergründlichen Blick zu. »Ich erweise ihr damit nur einen Dienst.«
»Du glaubst, ich könnte Byron verletzen. Um dich zu erwischen«, sagte ich. Dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen: »O mein Gott.«
Grants Griff wurde fester, aber ich drückte ihn weg und wich zurück, bis ich gegen die Regale stieß. »Ich habe dich umgebracht. Ich habe dir die Kehle durchgeschnitten.«
»Nein«, antwortete Jack sanft. »Aber du hast Zee nicht aufgehalten, als er es getan hat.«
Grant trat zwischen uns. »Das reicht.«
»Nein«, sagte Jack wieder. Hinter Grant konnte ich ihn nicht erkennen. Seine Stimme klang, als wäre sie weit, weit entfernt. Ich wäre gerne in den Erdboden versunken oder durch meine Haut hindurch explodiert. Ich wollte laufen wie der Teufel und nie mehr zurückkommen.
»Nein«, sagte Jack zum dritten Mal. Jetzt sogar noch sanfter, es klang wie eine Litanei oder ein Gebet.
Ich trat hinter Grant hervor und sah meinen Großvater wieder an. »Zee hat dich wegen etwas umgebracht, das du uns erzählt hast.«
»Es war eine sehr emotionale Reaktion. Alles geschah so schnell, ich bin mir nicht sicher, ob du ihn davon hättest abhalten können, selbst wenn du es gewollt hättest.«
»Maxine hätte niemals zugelassen, dass du verletzt worden wärst«, bemerkte Grant knapp.«
»Lichtbringer«, erwiderte Jack. »Vielleicht siehst du nicht so viel, wie du glaubst.«
Ich sah mich in dem Raum um, konnte aber weder Seile noch Ketten, sondern einfach gar nichts erkennen, womit man mich hätte fesseln können. Ich verspürte unter den gegebenen Umständen auch kein gesteigertes Bedürfnis danach, festgebunden zu werden. Ich wollte nur Antworten hören. Etwas, das in der Lage war, den Druck aus meinem Schädel zu nehmen.
»Nun red schon!«, befahl ich. »Die Jungs schlafen, ich bin unbewaffnet, ich werde Byron nicht verletzen, und ich werde auch dich nicht verletzen, ganz gleich, was du zu sagen hast.«
Jack schwieg so lange, dass ich mir nicht sicher war, ob er wohl eingeschnappt war oder ob er sich fürchtete. Er schien
kaum zu atmen. Auch Grant schwieg, doch seine Ruhe knisterte vor Anspannung und Energie. Ich wünschte, ich könnte mit seinen Augen sehen. Ich wollte wissen, wie eine Welt aussah, die nur aus Licht und Energie bestand. Ich wollte wissen, was er in mir sah. Was er in mir sah – und dass es ihm keine Angst einflößte.
Jack rückte näher und streckte seine Hand aus. Byrons Hand. Ich nahm sie, und auf meiner Haut erbebte Dek. Grant griff sich meine andere Hand und hielt sie ganz fest. Durch meine Hand stieg Wärme auf, meinen Arm hinauf und in mein Herz hinein.
»Ich muss dir eine Geschichte erzählen«, begann Jack,
»Dann tu es doch einfach. Sag mir die Wahrheit.«
»Du bist nicht die, die du zu sein glaubst«, sagte er, mit all der Qual eines Mannes, der einen Mord gesteht. »Deine Blutlinie ist nicht das, was du denkst, dass sie sei. Mein Volk hat die Wächter nicht geschaffen, um den Gefängnisschleier zu bewachen, und obwohl deine Vorfahren mit ihnen zusammengelebt haben und glaubten, sie gehörten zu ihnen, waren diese besonderen Mütter und ihre Töchter keine Wächter, jedenfalls zunächst mal nicht.«
Er machte eine Pause, bleich und verschwitzt. Rex stieß ein dumpfes, bestürztes Ächzen aus, als wäre ihm gerade etwas klar geworden. Ich blickte nicht in seine Richtung, aber ich spürte ihn am Rand
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