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Chroniken der Jägerin 3

Chroniken der Jägerin 3

Titel: Chroniken der Jägerin 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Liu
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noch immer nicht zu sehen. »Das kannst du nicht tun.«
    »Öffne die Augen«, sagte Grant schon wieder zu der Frau. Meinen Großvater ignorierte er. Ich wusste, was er vorhatte. Ich wusste es, weil ich ihn kannte. Ich erinnerte mich.
    Sie stieß einen Schrei aus. Jack schrie ebenfalls auf. Grant seufzte, aber er drang noch tiefer ein – sein Gesicht war fast nicht wiederzuerkennen. Er summte, aber so leise, dass es kaum zu hören war. Ich fühlte es aber. Der Boden vibrierte von seiner Stimme. Herabgefallene Tannennadeln erzitterten. Und dann erfasste es auch Steine, die sich aus hart gewordener Erde lösten.
    Die Jungs wüteten unter meiner Haut, sie strömten über mein Gesicht und meinen Kopf hinweg.
    Ihr Geschrei nahm kein Ende, schwoll nur immer weiter an. Ihr Unterkiefer rutschte zur Seite, als sie versuchte, sich Grant zu entwinden. Seine Augen leuchteten. Ihre nicht minder. Ich sagte ihm nicht, dass er aufhören solle. Ich hatte Angst davor. Ich hörte noch mehr krachende Geräusche, aber die waren jetzt unter unseren Füßen, kamen aus der Erde und aus den Bäumen. Wellen liefen über die glänzende Rüstung. Auch die silbernen Venen auf meiner Hand glänzten, und rote Augen brannten heiß unter meiner Haut. Alles brannte. Jeder Atemzug war voller Hitze. Ich roch den Schwefel.
    Neben mir brach Jack zusammen. Blut sickerte aus seinen Nasenlöchern. Seine Augen zeigten die höchste Erregung. Er versuchte, nach mir zu greifen, aber die Luft, die meinen Körper
umgab, ließ seine Hand zurückprallen, und er presste sie gegen seine Brust. Mein Großvater. Byron.
    In seinem Blick lag so viel Furcht.
    »Er zerreißt«, keuchte er. »Maxine.«
    Grant und meine Erinnerungen lenkten mich immer noch ab. Ich begriff zuerst nicht, was Jack mir sagen wollte. Bis ich mich übergeben musste.
    Mein Magen war zwar leer, und trotzdem schien mir das alles so brutal und schockierend. Ich wurde nie krank. Niemals. Nur ein einziges Mal. Und nur aus einem einzigen Grund.
    In meinem Kopf breitete sich ein stechender Schmerz aus. Zee riss so heftig an meiner Haut, dass ich schon überzeugt war, er würde sich befreien. Jedenfalls versuchte er es. Sie versuchten es alle, mit all ihrer Kraft. Ich sah mich um, während mir das Herz bis in die Kehle hinein hämmerte. Dann blutete Licht aus der Welt. Ein unbändiges, schmerzhaftes Licht, in weißer Hitze, mit leuchtend roten und purpurnen Untertönen umsäumt und von türkisfarbenen Punkten durchsetzt, die wie knisternde Funken zerstoben. Ich war vom Licht geblendet.
    Bis ich aufschaute und die Dunkelheit bemerkte.
    Ich blinzelte, das Licht verschwand, und schlagartig tauchte der Wald in meinem Blickfeld auf. Doch ich fühlte mich noch immer blind; aber nur, weil die Welt so farblos und düster erschien: grau, ausgeblutet und verdorrt.
    Doch die Dunkelheit blieb. Im Himmel, über unseren Köpfen. Ein Riss durchzog den Himmel, der an den Rändern wie ein Blitz geformt war. Er schimmerte rot und blutete durch die Wolken. Ich konnte Blut riechen. Ich hörte die Schreie von der anderen Seite.
    »Maxine«, flüsterte Jack.

    Ich sehe es , wollte ich erwidern, aber meine Stimme versagte.
    Der Gefängnisschleier war aufgerissen. Und was nun versuchte, sich da herauszuzwängen, war erheblich größer als ein Parasit.

11
    I ch fühlte mich wie ein Kind in einem dieser Albträume, in dem die Flure endlos und alle Türen verschlossen waren. Und obwohl man sich nicht umdrehen konnte, um zu sehen, was sich hinter einem befand, hörte man das schwere Atmen, fühlte die Hitze im Nacken und wusste, dass einem etwas wesentlich Schlimmeres als der Tod widerfahren würde, wenn man auch nur für einen Moment anhielt.
    Und da setzten sich diese Flure ewig fort, und die Türen waren verschlossen. Aber anders als im Traum musste ich nicht rennen, denn ich sah das Monster direkt auf mich zukommen.
    Die Schreie verstärkten sich, und eine mächtige Windböe rauschte durch den Wald, zerrte an meiner Kleidung, schüttelte die Bäume und ließ sie ächzen. Ich roch das Blut, süßlich und geronnen, und stellte mir vor, dass jene erschütternden Schreie mit dem Tosen brechender Sturmwellen unterlegt waren.
    Grant war verstummt und beobachtete den Himmel in grimmigem Entsetzen. Selbst die Botin starrte mit ihren kleinen, weit aufgerissenen Augen an seiner Schulter vorbei. Ich sah zu Jack hinüber, der jedoch nur die Frau fixierte.
    »Du Närrin«, sagte er zu ihr. »Dachtest du wirklich, du würdest das Labyrinth

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