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Chroniken der Jägerin 3

Chroniken der Jägerin 3

Titel: Chroniken der Jägerin 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Liu
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Bruder. Das weiß ich. Ebenso wenig glaube ich nach all den Jahren, in denen ich die schwächeren Arten jagte, denen es gelang, aus dem Schleier zu flüchten, dass alle Dämonen eines Sinnes sind, dass sie alle die Welt nur aus einem Blickwinkel betrachten. Das kann nicht sein. Die schwächeren Dämonen fürchten ihre Lords, sie haben es mir verraten, bevor sie starben. Sie sagten auch, dass ihre Lords voller List und Heimtücke gegeneinander seien.
    Wie die Menschen. Genau wie die Menschen.
    Und das macht es sogar noch schlimmer, scheint mir. Weil sich ein Heer verfeindeter Einzelner noch nie mit leichter Hand beherrschen ließ.
    Die Schlächterkönige müssen doch wahrhaft schrecklich sein.

    Ich wäre etwas genauer gewesen, hätte ich gewusst, wohin uns die Rüstung bringen würde. Ich hätte gesagt, dass Jack noch warten könnte. Dass meine Fragen Aufschub duldeten. Dass die Dämonen im Schleier warten und in ihrer Hölle verrotten konnten, während ich dasselbe in meiner Hölle tat. All das hätte ich gesagt, wenn ich es vorher gewusst hätte.
    Grant und ich traten aus der Leere in eine Küche hinein.
    Es war eine alte Küche mit cremefarbenen Schränken, verstaubten, grün gepunkteten Gardinen und einem Linoleumboden mit Schachbrettmuster, auf dem nach fast sieben Jahren noch immer der Blutfleck zu erkennen war, den nicht einmal die Jungs hatten wegschrubben können.
    Ich war zu Hause. In dem Zimmer, in dem sich der Mord an meiner Mutter zugetragen hatte.
    Durch die Fenster fiel Sonnenlicht. Die Luft schmeckte heiß,
roch verbraucht und müde. Ich spürte keinerlei Kraft mehr in mir. Mein Verstand und mein Herz waren ganz woanders.
    Doch als ich den Blutfleck sah, während er in mein Bewusstsein sickerte, realisierte ich erst, wo ich mich befand.
    Meine Knie gaben nach. Unsanft ging ich zu Boden und kippte nach hinten. Ich wäre wohl lang hingeschlagen, wenn meine Schultern nicht von dem alten Kühlschrank aufgehalten worden wären. Ich lehnte mich dagegen, zwischen den abblätternden, eierschalenfarbenen Wänden und der zerbröselnden Arbeitsplatte aus Linoleum überwältigt und verloren. Der Küchentisch stand noch immer da, die schweren Holzstühle – genauso wie ich sie zurückgelassen hatte. Und auch das Regal, das ich über dem Fenster nach Norden angebracht hatte, nämlich dort, wo die Kugel das Glas durchschlagen und meiner Mutter den Kopf zerrissen hatte.
    Ich konnte immer noch den Kuchen riechen. Schokoladenkuchen.
    »Maxine«, sagte Grant und ließ sich neben mir auf den Boden fallen. Ich hob die Hand und wünschte, er möge schweigen. Das war alles zu viel auf einmal. Die Dämonen, meine Mutter. Ich.
    Wir , sagte die Stimme aus der Finsternis, gleich neben meinem Herzen. Es ist nicht so kompliziert .
    Ich verlor meinen Verstand. Das war es also. Das war es, wovor sich Jack fürchtete, das war es, womit meine Ahnfrauen hatten klarkommen müssen. Ihren Verstand an dieses Ding da zu verlieren, das so tief in uns eingedrungen war, das ein Teil von mir war und doch nicht ich. Von Stimmen gehetzt, vom Hunger gequält und Dämonen fressend.
    Ich schmeckte die Asche in meinem Mund, drehte mich zur Seite und würgte.

    Grant zog mich in seine Arme. Ich versuchte ihn wegzustoßen, aber er war stark, und ich wollte in den Armen gehalten werden. Ich brauchte einen Anker. Ich klammerte mich an sein Hemd.
    »Ich bin ein Monstrum«, sagte ich.
    Er schüttelte den Klopf. »Niemals.«
    »Aber du hast es doch gesehen und gehört.«
    »Maxine«, unterbrach er mich entschlossen. Aber sonst sagte er nichts. Ich erinnerte mich an den Ausdruck in seinen Augen, als er mich wie eine Fremde angeschaut hatte, und die Scham und die Seelenqual, die jene Erinnerung begleiteten, waren fast mehr, als ich ertragen konnte. Zee rührte sich, und die anderen taten es ihm nach, erst ungestüm, dann sanft – sie zupften an meiner Haut, bis ich mich am liebsten schreiend selbst geschlagen hätte, mich und sie. Mein Körper gehörte mir nicht. Weder innen noch außen.
    Ich starrte auf den Blutfleck auf dem Boden. Meine Mutter.
    Du gehörst niemandem , hätte sie gesagt. Niemandem als dir selbst .
    »Es tut mir leid«, flüsterte Grant. »Das alles.«
    »Ich bin ja selbst schuld daran«, erwiderte ich. »Der Kuchen damals, in jener Nacht.«
    Er schwieg einen Moment, dann sagte er sehr sanft: »Maxine.«
    »Wir hätten ja auch ausgehen können«, fuhr ich fort und konnte nicht aufhören. »Wir wären in der Öffentlichkeit gewesen. Aber

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