Chroniken der Jägerin 3
gegen die eigene Brust und neigte den Kopf. Ohne zu zögern ließen, sich die anderen Dämonen auch auf den Boden sinken und folgten seinem Beispiel. Sie knieten vor mir nieder und senkten mit geschlossenen Augen die Köpfe.
Ich starrte sie verblüfft an, aber die Finsternis erhob sich mit einem Lächeln aus meiner Kehle, das nach Tod schmeckte.
»Vergib mir«, dröhnte der Dämon. »Vergib uns allen. Wir haben dich nicht erkannt.«
Das Schwert glühte. Runen bedeckten seine Oberfläche, sie reichten bis zu der Rüstung um meine Hand. Mir war, als spräche sie zu mir, aber alles, was ich spürte, waren ein Herzschlag im Metall und fünf weitere auf meiner Haut. Herzen, die in
meiner Brust brannten. Die so brannten, wie meine Verbindung zu Grant, die so fern zu sein schien – es war, als fände sich meine Seele unter meiner Haut allein auf weiter Flur und blickte in Grants fernes, gar zu fernes Licht.
Die Finsternis kroch in meinen Mund und raunte Worte auf meine Zunge.
»Ha’an«, flüsterte sie durch mich hindurch. »Wie steht es bei den anderen Lords?«
»Ich weiß es nicht«, antwortete er und riskierte einen Blick in mein Gesicht. »Wir waren im zweiten Ring, der Riss reichte nur bis zu uns. Ich weiß nichts über die Draean, die K’ra’an oder die anderen, aber die Hurenlady gibt es noch, und ihre Kinder füllen uns den Bauch, bis wir wieder auf die Jagd gehen können.« Er zögerte. »Du hast uns befreit… wir dachten schon, du wärest vielleicht für immer gegangen.«
»Wir sind die Ewigkeit«, sagte die Finsternis. »Aber dies ist die Traumzeit.«
Die Reaktion des Dämons machte einen überraschend menschlichen Eindruck. Wie jeder Mensch, wenn er verwirrt war, verzog er das Gesicht.
»Der Schleier steht offen, meine Könige. Dies hier ist nur ein Bruchteil der Mahati, die bereit sind, euch zu dienen, falls ihr danach verlangt. Das Einzige, worum wir bitten, ist Nahrung. Eine gute Jagd.«
Er sah über meine Schulter hinweg zu Grant hinüber. »Die Menschen haben durchgehalten, wie es scheint. Sie würden genügen.«
»Nein«, entgegnete ich, und diesmal war ich es selbst und niemand sonst. Die Finsternis saß mir noch immer in der Kehle, und sie schien es zu verabscheuen, mich jenes Wort aussprechen zu lassen.
»Nein?«, wiederholte der Dämon, und in seinen grünen Augen flackerte der Zorn. »Wir haben so gelitten, und jetzt verweigerst du es?«
»Das hier ist nicht eure Welt.«
»Und ist es denn deine ?« Seine Worte klangen herausfordernd und bitter, während sich die anderen Dämonen unruhig bewegten.
Ich richtete mich auf. In mir war eine Wut entfacht, die die meine sein mochte oder auch die der Finsternis, jedenfalls war sie gerecht und stark. Ich blickte dem Dämon eiskalt in die Augen und wusste – wusste es mit absoluter Sicherheit –, dass ich ihn töten konnte. Mit einer einzigen Berührung. Mit einem Kuss.
Aus dieser Gewissheit erwuchs eine Kraft, die allzu wohltuend wirkte.
Sein Mund klappte zu, er wandte sich ab. »Vergib mir.«
Ich ging auf ihn zu und blieb erst stehen, als ich ihn fast schon berührte. Dann umkreiste ich ihn und ließ meinen Blick zwischen ihm und den anderen Dämonen hin- und herwandern. Ich sah kurz auf Grant, aber ihn zu sehen ließ etwas in mir auflodern, das die Finsternis zu einem Zusammenzucken brachte – genau wie mich. Doch es reichte schon aus, ihm nur in die dunklen, unergründlichen Augen zu schauen, aus denen er mich betrachtete, als wäre ich eine Fremde.
»Dies ist meine Welt«, sagte ich. Dann ergriff wieder die Finsternis von meiner Zunge Besitz und fügte hinzu:«Und auch ihr gehört mir. Ihr alle.«
»Vergib mir«, sagte der Dämon noch einmal mit steifen Schultern. »Selbstverständlich gehören wir dir. Die Mahati waren schon immer loyal. Aber wenn erst die anderen freikommen, werden wir sie wieder zurückholen, was auch ich schon sehnlichst begehre. Wir müssen jagen oder sterben.«
»Dann werdet ihr sterben«, entgegnete ich.
Der Dämon Ha’an sah mich an. Sein Blick war anfangs unsicher, wandelte sich dann aber zu entschiedenem Trotz und zeigte eine Entschlossenheit, die so kalt und so körperlich war, dass ich sie bis in meine Wirbelsäule spüren konnte und bis hinunter in meine Magengrube, wo sich meine ganze Angst zu einem kleinen, weinenden Klumpen zusammengezogen hatte.
»Das ist nicht recht«, sagte er leise. »So ist es früher nicht gewesen. Ihr habt euch verändert, meine Könige. Und nicht nur durch die
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